: „Hallo, lieber Wasja, bist du das wirklich?“
Was tun, wenn die Miliz auf dem Handy anruft? Einige Tipps. Minsker Tagebuch vom 17. 9. 20
In der letzten Zeit werden viele Belarussen telefonisch zu Gesprächen in die „Bezirksabteilungen für innere Angelegenheiten“ eingeladen: „Es besteht der Verdacht, dass Sie an nicht genehmigten Veranstaltungen teilgenommen haben.“ Die weltweite Praxis in solch einem Fall – eine Vorladung zu verlangen und über seine Rechte zu sprechen – funktioniert in unserem Land nicht.
Eine Freundin von mir erzählt, dass man sie wegen des Verdachts auf Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung am 5. September zum Gespräch gebeten habe. Auf die Frage: „Worauf basiert dieser Verdacht?“, erhielt sie die Antwort: „Benutzen Sie ständig Ihr Handy?“ Das heißt, wir haben es hier mit einer Handyortung zu tun – also ob das Telefon an Orten von Massenversammlungen getrackt wurde. Tja, damit bist du verdächtig.
Eine andere Freundin, die Juristin ist, teilt einen erprobten Lifehack: „Wenn dich ein unbekannter Onkel anruft und dir solchen Blödsinn erzählt – unabhängig davon, ob du bei der Demo warst oder nicht–, sagst du erst mal gar nichts. Und dann sagst du: ‚Wasja, bist du das? Denk dir mal was Originelleres aus.‘ Und dann legst du auf. Wenn sie wieder anrufen, dito. Deine Aufgabe ist, dich blöd zu stellen und das Gespräch abzubrechen, sobald du durch den Anruf die wichtigste Information erhalten hast. Das kann man auch vorm Spiegel üben, um im entscheidenden Moment nichts zu verpatzen.“
Was bringt das? In vielen Fällen lassen sie vorübergehend oder sogar ganz von dir ab, weil sie noch viele andere auf ihrer Liste haben. Zumindest aber schicken sie dir eine Vorladung, in der der Paragraf steht, auf den sie sich beziehen.
Damit hast du Zeit, dich um einen Anwalt zu kümmern. Und vor dem Verlassen deiner Wohnung ein paar Dinge einzupacken. Und dich daran zu erinnern, dass es verfassungsrechtlich nicht erlaubt ist, gegen sich selbst auszusagen. Es ist traurig, dass du dich gegen die Miliz wehren musst, statt sie zu Hilfe zu rufen. Aber man muss anerkennen, dass Belarus eine Attraktion ist, die einer Geisterbahn gleicht. Janka Belarus
Widerstand und Protest: Seit dem 11.September begleitet die taz die Ereignisse in Belarus mehrmals wöchentlich mit dem „Minsker Tagebuch“ auf taz.de. Alle dazu erschienenen Texte lesen Sie unter https://taz.de/minsk
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
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