Infektionsrisiko in Quarantäneunterkunft: Echter Lockdown für Geflüchtete
In einer Hamburger Unterkunft sollen positiv und negativ auf Corona getestete Geflüchtete in Quarantäne sein. Die Stadt weist die Vorwürfe zurück.
In der Unterkunft am Rande Rahlstedts wohnten die Geflüchteten in Vier- bis Achtbettzimmern, Erkrankte und Gesunde zusammen, darunter viele Frauen mit ihren Neugeborenen, sagt Carola Ensslen, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion, die die Unterkunft in regelmäßigen Abständen besucht. Ihr zufolge spitzt sich die Lage in der Unterkunft immer weiter zu: „Die Geflüchteten sind nun schon seit drei Wochen hier und wissen immer noch nicht, wann sie gehen dürfen – und das, obwohl einige schon mehrfach negativ getestet wurden.“ Vor Kurzem sei eine Frau von ihren Mitbewohnern eingesperrt worden, weil sie positiv auf Corona getestet wurde.
Wann die Geflüchteten die Unterkunft verlassen können, hängt davon ab, wie viele noch positiv getestet werden, denn erst wenn zwei Wochen lang kein Fall auftritt, ist die Quarantäne beendet. Bis dahin müssen alle in Isolation bleiben. Diese Situation sei für die Menschen unzumutbar, so Ensslen: „Die Geflüchteten leben in noch größerer Unsicherheit als vorher schon. Sie fühlen sich allein gelassen.“
Auch Heiko Habbe von der Beratungsstelle Fluchtpunkt kritisiert das Vorgehen der Behörde: „Aktuell wartet man einfach ab, bis sich alle Bewohner infiziert haben. Das ist aus menschenrechtlicher Perspektive nicht in Ordnung.“
Die Innenbehörde weist die Kritik zurück. Man bringe positiv und negativ getestete Bewohner nicht gemeinsam unter und halte sich an die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Zudem könne man nicht beeinflussen, wie lange die Bewohner in der Unterkunft bleiben müssen: „Grundsätzlich legt das Gesundheitsamt die Quarantänedauer fest. Eine Testung erfolgt am Standort Bargkoppelstieg 60 am Ende der Quarantänezeit.“ Bei einem negativen Testergebnis kehrten die Bewohner*innen in die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Rahlstedt zurück.
Nachteile im Asylverfahren
Laut Heiko Habbe hat die Quarantäne auch Folgen für die Asylverfahren. Er ist zwar erleichtert darüber, dass inzwischen Geflüchteten in Quarantäne kein Bescheid mehr über die Ablehnung ihres Asylantrags zugestellt werden kann: „Das war problematisch, weil die Betroffenen in Quarantäne kaum die Möglichkeit hatten, Kontakt zu ihren Anwälten aufzunehmen, um sich beraten zu lassen“.
Habbe hat jedoch auch an der neuen Regelung Kritik: „Theoretisch ist das eine gute Idee. In der Praxis ist die Vorgabe allerdings kaum umsetzbar. Wenn der Brief losgeschickt wird, kann die Behörde ja nicht wissen, ob der Empfänger in zwei Tagen in Quarantäne muss.“
Dann bleibe den Geflüchteten nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, der sie in die Situation zurückversetzt, in der sie sich vor der Quarantäne befanden. Auch hier sieht Habbe Hürden: „Damit der Antrag genehmigt wird, müssen die Geflüchteten zeigen, dass sie nichts für die Fristversäumnis können.“ Da die Anwälte noch telefonisch und per Mail erreichbar seien, sei es für die Geflüchteten aber schwierig, ausreichend zu belegen, dass tatsächlich niemand erreichbar war.
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