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Milch ohne Kuh

Bei Getränken aus Getreide, Hülsenfrüchten, Samen und Nüssen lohnt sich ein Blick ins Kleingedruckte der Zutatenliste

Von Helke Diers

Die Milch macht’s. So lautete ein Werbespruch in den Neunzigern. Das stimmt auch heute noch, allerdings ganz anders: Mittlerweile bezeichnet die vegan-vegetarische Ernährungsorganisation ProVeg Pflanzenmilch als das umsatzstärkste Produkt im gesamten Markt für Alternativprodukte. „Pflanzliche Milchalternativen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Anna-Lena Klapp, Fachreferentin für Ernährung und Gesundheit bei ProVeg. Ethische und ökologische Gründe, erhoffte gesundheitliche Vorteile, Unverträglichkeiten und der besondere Geschmack bewegen die Kon­su­ment*innen.

Der Geschmack einer Pflanzenmilch wird durch ihre Grundzutat bestimmt. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche neue Sorten hinzugekommen. Wer vor zehn Jahren zu Sojamilch griff, hat heute die Auswahl zwischen Drinks aus Hafer, Kokos, Mandel, Reis, Haselnüssen, Hirse, Lupinen, Buchweizen, Erbsen oder Cashew­nüssen. Die Sorten unterschieden sich hinsichtlich Süße, Erdigkeit und Nussigkeit. Allen gemein ist: „Sie enthalten keine Laktose“, erklärt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Hergestellt werden die Milch­alternativen alle auf ähnliche Art: Die Hauptzutat wird nass oder trocken gemahlen, feste Bestandteile später ausgesiebt und das gewonnene Extrakt mit Wasser verdünnt. Enthalten manche Drinks nur Salz, Algen oder Öl, sind andere mit Säureregulatoren, Stabilisatoren, Zucker oder Aromen versetzt. „Es lohnt sich ein Blick in die Zutatenliste“, empfiehlt Gahl. Die weiteren Zutaten verändern den Geschmack oder sollen die Drinks der Kuhmilch hinsichtlich der Textur ähnlicher machen.

Viele Drinks werden mit Kalzium angereichert, das sonst kaum enthalten wäre. Die Ernährungsexpertin Gahl rät, Pflanzendrinks bewusst zu verwenden. Nährstoffdefizite bei Jod, Kalzium, Vitamin B12 und Riboflavin seien möglich, wenn Kuhmilch ohne weiteres Hintergrundwissen ausgetauscht werde. Wer häufig zu Pflanzendrinks greife, sollte Proteine und fehlende Stoffe auf anderem Weg zu sich nehmen. Der geringere Fettgehalt spreche jedoch für die Pflanzengetränke, außerdem die günstigen Fettsäuren. „Sie enthalten im Vergleich zu Kuhmilch mehr ungesättigte Fettsäuren und kein Cholesterin“, erläutert Gahl.

Jede Pflanzenmilch hat ein eigenes Nährstoffprofil. Ein Klassiker ist die proteinreiche, eher neutrale und nussige Sojamilch. Sie enthält mit rund 3,5 Gramm pro 100 Milliliter ähnlich viel Protein wie Kuhmilch und lässt sich gut aufschäumen. Ökotest fragte bei großen Herstellern nach der Herkunft der verwendeten Bohnen und fand heraus: Sie werden bei den bekannten Marken zum Großteil aus Europa importiert. Die Rodung von Waldflächen in Südamerika spielt für die Sojamilchproduktion kaum eine Rolle – das dort angebaute Soja landet mehrheitlich in den Futtertrögen von Tieren. „Letztlich steckt das Soja aus dem Regenwald in der Kuhmilch“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Klapp.

Ökologische Erwägungen sprechen für Pflanzenmilch. „Die pflanzlichen Milchalternativen haben einen aufwendigeren Herstellungsprozess, aber eine geringe Klimawirksamkeit und geringen Landverbrauch“, fasst Ernährungswissenschaftlerin Gahl von der DGE zusammen. Zu berücksichtigen sind unter anderem Treibhausgas-Emissionen, Biodiversität, Wasser- und Landverbrauch. Die beste ökologische Bilanz haben Hafer- und Sojamilch, sagt Klapp. Hinzu käme die weniger bekannte Milch aus der Hülsenfrucht Lupine.

Einen besonders geringen ökologischen Fußabdruck habe Hafermilch, weil sie mit regional angebautem Hafer hergestellt werden könne, so Klapp. Welche Firma das tut, lässt sich dem Etikett jedoch nicht immer entnehmen. Die Getreidemilch schmeckt leicht süßlich und eignet sich besonders in den Barista-Editionen gut zum Aufschäumen. Manche Hafermilchsorten werden als glutenfrei angeboten. Die Biomarken Velike und Voelkel sowie die Brandenburger Genossenschaft Hafelmi*** produzieren Haferdrinks in Glasflaschen. „Es gibt erste Studien, die zeigen, dass Hafermilch sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirkt“, sagt Klapp. Hafermilch mache Sojamilch als populärster Variante Konkurrenz.

Mandelmilch geriet in den letzten Jahren in die Kritik wegen ihres hohen Wasserverbrauchs und des mehrheitlichen Anbaus der Mandeln in Kalifornien. „Mandelmilch verbraucht im Vergleich zu anderen Pflanzenmilchsorten sehr viel Wasser, aber immer noch weniger als Kuhmilch. Ein Vorteil ist, dass sie sehr gut von Kindern vertragen wird“, sagt Klapp, die für Kinder eine Kalzium-angereicherte Sorte empfiehlt.

Ebenfalls oft angeboten wird der eher geschmacksneutra­le bis süßliche Drink aus Reis. „Reismilch ist besonders beliebt bei Allergikern, weil es die al­ler­genärmste Variante ist“, sagt Klapp. Sie enthalte wenig Protein, viele Kohlehydrate und wenig Fett. Ein Nachteil sei der Arsengehalt. Reis tendiere dazu, mehr Arsen als andere Lebensmittel aufzunehmen, und sei damit weniger geeignet für Kinder.

Bekannt als Sojamilch, Reismilch oder Nussmilch, dürfen die Getränke nicht als solche deklariert werden. Ohne Tier keine Milch, sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH): „Der Ausdruck ‚Milch‘ ist ausschließlich dem durch (…) Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion (…) vorbehalten“, heißt es in einem Urteil aus 2017. Drink oder Getränk nennen sich deshalb die pflanzlichen Alternativen. Pflanzlicher Käse wird zu „Frischecreme“, „Schmelz“, „Streichgenuss“ oder „­Scheiben“.

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