Kommentar Eiken Bruhn über Mittelschichts-Vorurteile: Gewalt findet überall statt
Der Zentralelternbeirat – also die gewählten Elternsprecher der Stadt Bremen – findet es richtig, dass die Schulen trotz der steigenden Infektionszahlen geöffnet bleiben. Als ein Argument führt er in einem Schreiben an die Eltern zu Recht die „soziale Funktion“ von Schule an.
Doch dann kommt eine Formulierung, die es in sich hat: „besonders in Ecken von Bremen, wo man nicht mit dem Silberlöffel im Mund geboren wurde“. Was heißt das im Umkehrschluss? Dass es Kindern, denen es materiell an nichts fehlt, gut geht? Dass sie nicht auf Lehrer*innen angewiesen sein können, denen auffällt, wenn sie sich zurückziehen? Dass sie keine Freund*innen brauchen oder keinen Ort, an dem nicht nur ihr Smartphone mit ihnen kommuniziert oder niemand angeschrien wird?
Es ist ein Vorurteil, dass Gewalt gegen Kinder und emotionale Vernachlässigung nur in finsteren Ecken der Stadt stattfindet. Wie verbreitet es ist, zeigt sich auch daran, dass die Autorin dieses Textes nachdenken musste, warum ihr der Satz mit dem Silberlöffel so übel aufstieß. Gefährlich daran ist, dass diese Kinder leicht durchs Raster fallen. Weil es offenbar so viel schwerer ist, sich vorzustellen, was ein Schwachhauser Arzt seinem Kind antut als eine Hartz-IV-Empfängerin in Gröpelingen.
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