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„Wenn es nicht anders geht: Kontakt einstellen“

Seit den Protesten gegen die Coronamaßnahmen beziehen sich Anfragen an das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Hamburg verstärkt auf Verschwörungsnarrative. Ein Gespräch mit zwei Mitarbeiterinnen

Interview Andreas Speit

taz: Frau Z., Frau R., ist der Beratungsbedarf wegen der Proteste gegen die Coronamaßnahmen gestiegen?

M. Z.: Die Anfragen sind insgesamt nicht wesentlich gestiegen. Doch sie beziehen sich verstärkt auf Verschwörungsnarrative. Die Ratsuchenden berichten, dass in ihrem Umfeld die verschiedensten Narrative mit Coronabezug virulent sind.

F. R.: Auffällig ist, dass sich sowohl um Kinder und Eltern als auch um Großeltern und Freund*innen gesorgt wird.

Die Verschwörungsnarrative geistern durch alle Generationen?

R.: Ja, und durch alle Bildungsschichten. Sehr oft heißt es, der/die hat doch studiert. Die Freund*innen oder Angehörigen sind da oft mehr als verwundert. Auch wenn Verschwörungsgläubige medial häufig klassistisch abgewertet und damit auch entpolitisiert werden, haben wir alle Berufs- und Bildungsgruppen wahrgenommen. Bei den Organisator*innen ist der höhere Bildungsgrad signifikant. Auffällig ist auch, dass der Großteil der Sprecher*innen auf den Veranstaltung männlich sind.

Wie reagiert das Umfeld darauf?

Z.: Der Schock und der Druck sind enorm groß. Wir beobachten oft eine anfängliche Abwehr, da kann es auch heißen: Das geht vorüber oder das wächst sich raus. Da ist es geboten, Verklärungen entgegenzuwirken. Auch wenn es nicht leicht anzunehmen ist, dass ein Freund oder die Oma Verschwörungsnarrative verbreitet und damit oft auch Antisemitismus. Unserer Erfahrung nach hilft es sehr, wenn Ratsuchende annehmen und sich eingestehen, dass Antisemitismusreproduktionen in ihrem Umfeld stattfinden. Das ernst zu nehmen ermöglicht, über Handlungsoptionen nachzudenken, anstatt viel Energie in eine Abwehr und Verharmlosung zu stecken, dass Verwandte es „ja sicherlich nicht so meinen“.

Wie brechen diese Konflikte auf?

M. Z. und F. R.arbeiten für das Mobile Beratungsteam Hamburg. Wir nennen sie nicht mit vollem Namen, um sie in Beratungen und weiteren Arbeitsbereichen zu schützen.

Z.: Im Alltag, die Eltern verweigern den Mundschutz, die Oma erzählt, dass es das Coronavirus gar nicht gebe. Abstands- oder Quarantäneregeln werden nicht eingehalten. Und schon ist der Streit da.

R.: In diesem Beziehungsgeflecht bestehen auch Abhängigkeiten. Die Großeltern oder Geschwister helfen beispielsweise bei der Kinderbetreuung. Wenn die Schwester dann Telegram-Posts versendet, in denen behauptet wird, dass Bill Gates uns alle verchippen will, ist eine Ratlosigkeit da.

Was empfehlen Sie in diesen Fällen?

Z.: Es ist wichtig, dass mit den Ratsuchenden sehr genau die individuellen Situationen und jeweiligen Beziehungen analysiert werden, um passende Handlungsmöglichkeiten und Interventionen zu entwickeln.

R.: Diese können sein, die Themen nicht anzuschneiden oder stetigen Widerspruch zu erzeugen. Oder aber auch, wenn es nicht anders geht, den Kontakt einzustellen.

Der Versuch mit Fakten ein Umdenken einzuleiten

Mobiles Beratungsteam

Das Mobile Beratungsteam Hamburg (MBT) informiert und berät zu Organisationsformen der extremen Rechten, Rassismus und Antisemitismus.

Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen können sich an das Team wenden, wenn sie mit Vorfällen konfrontiert sind, die einen rassistischen, rechtsextremen oder antisemitischen Hintergrund haben.

Aufgrund der Coronapandemie bietet das MBT Telefon- oder Video-Beratungen an. Kontakt per Mail an mbt@hamburg.arbeitundleben.de oder telefonisch: ☎040 / 28 40 16-202. Weitere Infos: https://hamburg.arbeitundleben.de/mbt

Z.: …ist schwierig. Die Verschwörungsmentalität müsste da zunächst abgeschwächt sein, denn Anhängerinnen und Anhänger sehen sich oft in einem vermeintlich inneren Kreis der Wissenden. Jede Gegenargumentation bestätigt die Verschwörungserzählung. Ein wichtiger Schritt ist allerdings, allgemein die Medienkompetenz zu schärfen.

Und das, obwohl mache Fake News offensichtlich wahnhaft erscheinen?

R.: Wir warnen davor, die Personen zu pathologisieren. Bei Einzelnen mag auch eine psychische Präferenz vorliegen, aber selbst dann geht es um eine problematische politische Ableitung.

Z.: Verschwörungserzählungen haben auch eine psychologische Funktion. Die gesellschaftliche Komplexität wird simplifiziert. Die Person kann sich und anderen ‚die Welt‘ wieder erklären. Zudem werden gesellschaftliche Probleme personalisiert: ein klares Ausmachen, wer die ‚Schuldigen‘ sind und wer sich darin als vermeintliche Freiheitskämpfer*in inszeniert. Eine Strategie, derer sich (extrem) Rechte bedienen – das Opfernarrativ.

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