: Hauptsache, irgendein Schiff
46 Millionen Euro hat der Bund bewilligt, um den Bremerhavener Museumshafen zu sanieren und die kaputte „Seute Deern“ nachzubauen. Letzteres würde aber viel zu teuer – deswegen ist nun der Nachbau eines völlig anderen Schiffs im Gespräch. Der Bund der Steuerzahler ist empört
Von Simone Schnase
Eines steht schon lange fest: Die „Seute Deern“ ist nicht zu retten. Das 100 Jahre alte Holzschiff des Bremerhavener Schifffahrtsmuseums wird abgewrackt. Aber auch andere Schiffe des Museumshafens sind in einem schlechten Zustand. Aus diesem Grund bewilligte der Bund bereits vergangenen November 46 Millionen Euro für deren Sanierung und einen Nachbau der „Seute Deern“. Der wird den größten Teil des Geldes, gut 34 Millionen Euro, verschlingen – aber mit dem Original nichts tun haben.
Segelfähig kann das neue Schiff nämlich nicht werden – das wäre zu teuer. Auch aus Holz kann es nicht gebaut werden – ebenfalls zu teuer. Von insgesamt sechs geprüften Nachbau-Varianten gibt es nur eine, die aus Sicht des Bremer Wissenschaftsressorts und der Bevollmächtigten des Bundes für Kultur infrage kommt, um den genehmigten Finanzrahmen nicht zu sprengen: Ein fest im Museumshafen liegendes Schiff aus Stahl. Bloß: Die „Seute Deern“ ist, oder besser, war ein Großsegler aus Holz.
So geht’s also nicht – und deswegen, so die einzig mögliche Variante, könnte nun einfach ein völlig anderes Schiff nachgebaut werden, nämlich die 1888 bei Tecklenborg in Geestemünde gebaute „Najade“. Was aber hat das mit dem Plan, die „Seute Deern“ nachzubauen, zu tun? Wäre es angesichts der Unmöglichkeit, das Schiff wenigstens als Replik zu erhalten, nicht sinnvoller, mehr Geld in die Sanierung des Museumshafens und in das Schifffahrtsmuseum zu investieren?
Und dann gibt es da ja noch die Idee, die historische „Schulschiff Deutschland“ als Nachfolgerin der kaputten „Seute Deern“ nach Bremerhaven zu holen: Die wurde nämlich in Bremerhaven gebaut und ihr Unterhalt fährt an ihrem Liegeplatz in Vegesack jährlich mindestens 100.000 Euro Defizit ein. Bereits vor Jahren hat der frühere Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz schriftlich den Wunsch geäußert, dass man „zur Abrundung des maritimen Angebotes der Seestadt“ das Schulschiff gern in Bremerhaven hätte.
Und nach dem Ende der „Seute Deern“ forderten FDP und CDU, dem Verein „Schulschiff Deutschland“ ein Angebot der Übersiedlung nach Bremerhaven zu machen. Selbst der Vorsitzende des Schulschiff-Vereins, der ehemalige Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) sagte, er hielte die Verlegung des Dreimasters nach Bremerhaven für „nicht ganz abwegig, denn das Schiff wurde auf der Tecklenborg-Werft in Geestemünde gebaut“.
Schulschiff statt Nachbau: Dafür plädiert auch der Bund der Steuerzahler (BdS). „Damit würde ein Stück Bremerhavener Geschichte zu ihrem Ursprung zurückkehren“, heißt es in einer BdS-Mitteilung, denn die „Schulschiff Deutschland“ sei 1927 in einer Werft in Geestemünde vom Stapel gelaufen, „und nicht tausende Seemeilen entfernt, jenseits des Atlantiks“.
Für den Bremer BdS-Vorstand und CDU-Politiker Carl Kau grenzt es „an Wahnsinn, in Bremerhaven 46 Millionen Euro für den ungetreuen Nachbau eines Schiffes mit zweifelhafter historischer Bedeutung aus dem Fenster zu werfen“. Die Bewilligung der Steuermillionen seien schon vor der Coronakrise höchst fragwürdig gewesen. „Sie ist heute der Gipfel der haushaltspolitischen Unverantwortlichkeit.“
Auch im Wissenschaftsausschuss, der am vergangenen Donnerstag über die Varianten des „Seute Deern“-Nachbaus diskutierte, überwog die Skepsis – nicht nur, weil zu den Vorgaben des Bundes als Geldgeber auch eine Aufstellung darüber gehört, wie Betrieb und Erhaltung eines Schiffsnachbaus finanziert werden sollen, sondern auch, weil niemand weiß, was geschehen soll, wenn das Budget nicht eingehalten wird.
Der bremische Haushalt, da war man sich parteiübergreifend einig, kann damit nicht belastet werden. Magnus Buhlert (FDP) äußerte zudem Zweifel, ob ein Stahlschiff, das nichts mehr mit der „Seute Deern“ zu tun hat, überhaupt mit dem Forschungsauftrag des Deutschen Schifffahrtsmuseum verknüpft werden kann.
Doch, kann es, davon ist Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) überzeugt. Er stellte am Freitag die Nachbau-Variante vor und findet, „dass der nahezu originalgetreue Nachbau eines festliegenden Frachtsegelschiffs mit engem Bezug zu Bremerhaven hervorragend geeignet ist, die damalige Bedeutung für den nationalen Schiffbau und die Schifffahrt zu präsentieren“.
Die vom Bund geforderte Finanzierung des Unterhalts könne durch eine Gastronomie und durch Ausstellungen in und auf dem Schiff gewährleistet werden.
Der Bund, sagt auf Nachfrage Magistrats-Sprecher Volker Heigenmooser, akzeptiere statt des Nachbaus der „Seute Deern“ auch diese Variante. Sie müsse nun noch durch die politischen Gremien gehen, „und wenn da alles gut läuft, können wir recht schnell mit dem Bau beginnen“. Der soll zwei bis drei Jahre dauern.
Und was ist mit der „Schulschiff Deutschland“? Darüber, sagt Heigenmooser, gebe es Gespräche mit dem Schulschiff-Verein, „aber selbst, wenn es nach Bremerhaven käme, bliebe es ja dennoch in dessen Besitz“.
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