Schauspieler Michael Gwisdek ist tot: Einer, der auffällt

Der Schauspieler Michael Gwisdek ist im Alter von 78 Jahren gestorben. In Erinnerung bleibt der Berliner unter anderem für seine Rolle in „Oh Boy“.

Der Schauspieler Michael Gwisdek bei Dreharbeiten zum Kinofilm "Kundschafter des Friedens"

Der Schauspieler Michael Gwisdek war ein beliebter Charakterdarsteller Foto: Henning Kaiser/dpa

BERLIN dpa/taz | „Da drüben, wo jetzt der Parkplatz ist, das war mal ein Bolzplatz. Da hat die ganze Rasselbande immer nachmittags gekickt. Und ich war der Kleinste, ich musste immer ins Tor.“ Eine kleine Rolle, aber viel Wirkung. Und Peng, ein Filmpreis als bester männlicher Nebendarsteller. So waren schon mal Filmauftritte von Michael Gwisdek, etwa 2013 als betrunkener Bargast in dem vielgelobten Film „Oh Boy“ von Jan-Ole Gerster. Am Dienstag, 22. September, ist der Schauspieler und Regisseur nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben.

Michael Gwisdek war ein Publikumsliebling. Mit „Familie Wöhler auf Mallorca“ war er etwa im Februar 2019 ein Quotensieger im Fernsehen. Mehr als vier Millionen schalteten den ZDF-Film ein. Das war typisch für Gwisdeks Karriere: Er war ein Charakterkopf, und zwar einer, bei dem die Leute gerne zuschauten. Ein Star war er bereits zu DDR-Zeiten. Erst am Theater, dann im Kino.

Mit Auftritten in Kinofilmen wie „Good Bye, Lenin!“, „Boxhagener Platz“, „Nachtgestalten“ bleibt er in Erinnerung. Aber auch im Fernsehen war er oft zu sehen: ob im „Tatort“, bei „Bella Block“ oder in „Donna Leon“. Michael Gwisdek selbst sagte einmal: „Komödie ist das Schwerste.“ Aber er sei im Genre nicht festgelegt. „Charakterdarsteller würde ich gerne genannt werden.“

Gwisdek – Name einer Künstlerfamilie

Privat waren Michael Gwisdek und die Schauspielerin Corinna Harfouch viele Jahre ein Paar. Sein Sohn Robert Gwisdek ist ebenfalls Schauspieler sowie Musiker und Sänger. Man kennt ihn und seinen Bruder Johannes auch als Rapper unter den Künstlernamen Shaban und Käptn Peng und durch ihr Musiklabel „Kreismusik“.

Durch die gemeinsame Tätigkeit im Filmbusiness konnte es schonmal zu Situationen kommen wie im Jahr 2013, wo Michael Gwisdek und Robert Gwisdek beide in der Kategorie „Bester männlicher Nebendarsteller“ beim Deutschen Filmpreis nominiert waren. Robert Gwisdek konnte damals seinem Vater zur Auszeichnung gratulieren. In seiner emotionalen Dankesrede lobte Michael Gwisdek damals das große schauspielerische Talent seines Sohnes.

Später lebte Gwisdek mit seiner Frau, der Drehbuchautorin und Schriftstellerin Gabriela Gwisdek, auf dem Land vor den Toren Berlins. Er rauchte gerne und züchtete Kois.

Komödiantisches Talent

Geboren wurde Gwisdek 1942 als Gastwirtssohn in Berlin-Weißensee. Er lernte das Schauspielhandwerk an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ – wie viele prominente Kolleg*innen. Mit dem Kino erfüllte sich ein Traum seiner Jugend. In den 50er Jahren zog es ihn, wie damals viele Ostberliner*innen, bei Ausflügen im kleinen Grenzverkehr nach Westberlin zum Filme-Schauen.

Gwisdek spielte in den 60er und 70er Jahren an verschiedenen Theatern in der DDR. Sein komödiantisches Talent brachte ihm bald Rollen im Kino ein. Entscheidend waren zwei Arbeiten: Die Literaturverfilmung „Dein unbekannter Bruder“ (1982) und das Boxer-Drama „Olle Henry“ (1983). Beide Filme gefielen den Zensor*innen nicht. Sie warfen ein Schlaglicht auf die Verlogenheit der ostdeutschen Gesellschaft zwischen verordnetem Duckmäusertum und sinnfreier Propaganda.

Das Publikum, darin geübt, zwischen den Zeilen zu lesen, feierte die Filme und den Hauptdarsteller. „Für uns war das toll, aufregend, ungewöhnlich“, so Gwisdek. „Aber es war einfach auch schlimm, nicht sagen zu können, was man dachte.“

Diese Situation prägte sein Regiedebüt „Treffen in Travers“ (1988), mit seiner damaligen Frau Corinna Harfouch und ihm selbst in den Hauptrollen. Gwisdek verlegte die Auseinandersetzung mit der Ausgrenzung Andersdenkender ins historische Gewand. Das Publikum verstand den Gegenwartsbezug des aufmüpfigen Kostümdramas aber sehr genau. Damit wurde Gwisdek endgültig zum Idol all jener, die sich nicht mehr widerspruchslos anpassen wollten.

Nach dem Fall der Mauer erfüllte sich sein Traum, über den roten Berlinale-Teppich zu gehen. 1999 erhielt Gwisdek einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller in Andreas Dresens „Nachtgestalten“. Seine Trophäen-Ausbeute war groß und reicht vom Deutschen Filmpreis über den Deutschen Fernsehpreis bis zum Grimme-Preis.

Gwisdek konnte auch unbequem sein. Sein ZDF-Film „Schmidt & Schwarz“ (2011) gefiel ihm nicht. Das sagte er auch laut. Das war ungewöhnlich, weil Gwisdek in der Krimikomödie – neben Corinna Harfouch – die Hauptrolle spielte und seine Frau Gabriela das Buch geschrieben hatte. Beispiele für seine Berliner Schnauze finden sich viele, etwa in einem B.Z.-Interview von 2019, dort mit Blick auf die Politik: „Dit reicht mir jetzt! Wenn die DDR irgendwas erreicht hat, dann dass ich Nazis scheiße finde!“

Keine Zeit für die Rente

Auch mit weit über 70 hatte Gwisdek noch viel zu tun. In einer Krimi-Serie auf ZDFneo („Dead End“) spielte er den Leichenbeschauer Dr. Peter Kugel. In Lars Kraumes DDR-Drama „Das schweigende Klassenzimmer“ gab er den Westradio hörenden Onkel. Mit Henry Hübchen und Thomas Thieme drehte Gwisdek die Komödie „Kundschafter des Friedens“. Seine Beobachtung mit Mitte 70: „Ick komm nicht dazu, Rentner zu sein.“

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) würdigte Gwisdek einmal als „Original mit Herz und Schnauze“. Er sei „ein Alleskönner, der sowohl in komischen als auch in melancholischen Rollen glänzt“. Das werden viele Zuschauer*innen genauso sehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.