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Impfung für alle, aber wie?

Impfpflaster bieten große Potenziale: Microarray-Patches sollen helfen bei der weltweiten Impfabdeckung. Die globale Vorsorge ist ungenügend

Von Wilfried Urbe

Sollte bald ein Impfstoff gegen den Coronavirus gefunden werden, steht die nächste Herausforderung direkt bevor: Wie können flächendeckend so viele Menschen wie möglich immunisiert werden? Ein altbekanntes Problem: Bereits in den 50er Jahren war ein Impfstoff gegen Polio entwickelt worden, erst jetzt konnte die Nervenerkrankung, auch als Kinderlähmung bekannt, in Afrika ausgerottet werden.

Die Weltgesundheitsorga­ni­sa­tion (WHO) kritisiert, dass im Jahr 2019 beispielsweise 14 Millionen Säuglinge keine Anfangsdosis eines Impfstoffs gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten erhielten – ein klarer Hinweis auf eine mangelnde Gesundheits­versorgung. Weitere 5,7 Millionen Säuglinge wurden nur teilweise geimpft. 60 Prozent dieser Kinder lebten in zehn Ländern: Angola, Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Indien, Indonesien, Mexiko, Nigeria, Pakistan und den Philippinen.

Um Krankheiten auszurotten, die durch Immunisierung vermieden werden können, ist eine Abdeckung von 95 Prozent notwendig. Die globale Impfabdeckung liegt aktuell aber weit darunter. In Fachkreisen wird zurzeit besorgt auf das Wiederauftreten der Masern in vielen Ländern, darunter auch in Deutschland, geschaut.

Umso mehr betrachtet die WHO mit großer Aufmerksamkeit Forschungsprojekte, die auf Verfahren setzen, bei denen Impfstoffe über Mikronadeln, die sich auf Pflastern befinden, verabreicht werden.

Das bestätigt eine Mitarbeiterin in Genf, Brigitte Giersing: „Die WHO ist sehr daran interessiert, Impfstoffe für die Abgabe von Microarray-Pflastern zu entwickeln – insbesondere für Impfstoffe, deren Abgabe in entlegenen Gebieten schwierig ist und für die wir ein hohes Maß an globaler Abdeckung benötigen, um unsere globalen Ziele für die weltweite Beseitigung wie etwa Polio zu erreichen.“

Dass solche Impfpflaster große Potenziale bieten, davon ist auch Markus Gerhard überzeugt. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Technischen Universität München sieht als naheliegenden Vorteil, dass möglicherweise keine Kühlketten eingehalten werden müssen und kein geschultes medizinisches Personal für die Verabreichung benötigt wird.

Neben diesem logistischen Vorteil, so vermutet der Mediziner und Wissenschaftler, könnte auch von immunologischer Seite her eine Verabreichung über die Haut vorteilhaft sein: „Die Haut als Organ muss sich ja den ganzen Tag mit Einflüssen von außen auseinandersetzen, sie ist immunologisch also stark aktiv.“ Seine Annahme: „Die Immunisierung über die Haut könnte wirkungsvoller sein als etwa über Injektionen, so wie sie jetzt üblich sind.“

Aber: Es muss geprüft werden, für welche Impfstoffe dies funktioniert: „Wir vermuten, dass es die sind, die zusätzlich zu Antikörperantworten noch zelluläre Antworten benötigen. Das wissen wir aber nicht, da es noch kein Impfverfahren gibt, das so verabreicht wird.“

Der wissenschaftliche Diskussionsstand befindet sich also noch in einer frühen Phase, da bisher noch keine Daten zur Anwendung am Menschen vorliegen. In Anbetracht der möglichen Vorteile sind aber schon diverse Hochschulen, Institute und Pharmaunternehmen dabei, entsprechende Impfverfahren zu entwickeln, darunter auch das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam oder die University of Pittsburgh.

Ein Unternehmen, das bereits ein entsprechendes Verfahren für die Entwicklung eines Kosmetikprodukts genutzt und dieses im Markt eingeführt hat, ist die Münchner Goodlifescience GmbH, deren Technologie Gerhard für vielversprechend hält: „Sie scheinen zumindest näher an einer Marktreife zu sein als die bisherigen, eher experimentelle Verfahren aus Forschungs­labors.“ Goodlifescience-Geschäftsführer Andy Reschke betont: „Unser Pflaster mit selbstauflösenden Mikro­strukturen aus quervernetzer Hyaluronsäure, der Peptide und hautpflegende Wirkstoffe zugesetzt werden, hat eine hohe 80-prozentige Drug Delivery Rate erreicht. Durch diese selbstauflösenden Mikrostrukturen kann mehr Wirkstoff auf dem Pflaster platziert werden. Aktuell sind das zwischen 10 und 17 Milligramm.“

Und er fügt noch hinzu: „Diese Trägertechnologie bietet zudem gerade in den infrastrukturschwachen Regionen positive Umwelteffekte. Zusätzlich werden Infektionsrisiken beispielsweise durch mehrfach benutzte Spritzen ausgeschlossen.“ Auch in entwickelten, dicht besiedelten Ballungsgebieten, etwa Tokio, könnte die Impfabdeckung mit der Technologie verbessert werden. Die Idee der intradermalen Maximierung ist dabei schon altbekannt. Die frühen Pockenimpfungen wurden so verabreicht. Das geschah zwar nicht mit einem Pflaster, sondern mit einer „Bifurkationsnadel“, die zwei Spitzen hatte. Die Jahrgänge vor 1970 müssten sich noch gut daran erinnern können, schon allein durch die kreisförmige Narbe am Oberarm, die durch das Einritzen mit dieser Nadel zurückblieb.

„Für die Pflaster benötigt man biodegradierbare Nadeln, die sich also in der Haut auflösen“, so Gerhard, „das ist die Herausforderung bei dieser Technologie, da sie mit den Impfstoffen kompatibel sein müssen.“

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