: Polizist mit loser Hand
Gegen einen Göttinger Polizisten wird ermittelt, weil ein Video zeigt, wie er einem Mann ins Gesicht schlägt
Von Leonie Theiding
Nachdem seit dem vergangenen Wochenende im Internet ein Video kursierte, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizeibeamter bei einem Einsatz in Göttingen einen jungen Mann ins Gesicht schlägt, wurde gegen den Polizisten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt eingeleitet. Das gab die Polizei am Sonntagnachmittag bekannt. Die Ermittlungen hat die Polizei Hildesheim übernommen.
Das Video, das einen Teil des Polizeieinsatzes zeigt, wurde beim Videochatten auf der Plattform Discord von anderen Nutzer*innen aufgenommen und auf der Videoplattform Youtube hochgeladen.
Der entsprechende Einsatz war nach Polizeiangaben am frühen Donnerstagmorgen. Insgesamt vier Beamt:innen seien wegen einer massiven Ruhestörung zu der Wohnung des 19-jährigen Mannes ausgerückt. Es war laut Polizei bereits der dritte Einsatz an diesem Tag. Und auch in den Tagen zuvor habe es bereits Beschwerden von Nachbar*innen gegeben
Bei den Einsätzen soll sich der Göttinger, laut der Polizeiinspektion, aggressiv verhalten und die Beamten*innen mehrfach beleidigt haben. Mittlerweile laufe gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Ruhestörung. Am Abend nach dem Einsatz, bei dem es zu dem Schlag kam, sei der Mann in Gewahrsam genommen worden. Es habe erneut Beschwerden über „Musik, Videospielen, lautes Schreien, Treten und Schlagen gegen Türen und Möbel im gesamten Treppenhaus“ gegeben.
Zu dem Schlag ins Gesicht des Mannes sagte Thomas Rath, Leiter der Polizeiinspektion Göttingen, am Sonntag: Während die Beamten*innen beschimpft wurden, sei dem Beamten „die Hand ausgerutscht, das ist menschlich erklärbar, aber natürlich für uns nicht hinzunehmen.“
Der Kriminologe Thomas Feltes sagt, es gebe kein nicht erklärbares Verhalten. Polizist*innen seien aber Teil einer staatlichen Institution. Deshalb müssten sie rational entscheiden und die eigenen Emotionen kontrollieren können. Das könne auch gelernt werden. Laut Polizei Göttingen werden Polizist*innen im Bachelorstudiengang auf konfliktreiche Situationen vorbereitet. Zusätzliche Ausbildungsmodule, die auf Stressbelastung im Dienst abzielen, könnten freiwillig belegt werden
Feltes plädiert dafür, dass solche Fälle wie der Göttinger wegen des besonderen öffentlichen Interesses immer vor Gericht gebracht werden sollten, es sei denn der Beamte entschuldigt sich und es würde zur Mediation kommen. Denn „wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt, schädigt das nicht nur das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit, sondern ist auch das absolut falsche Signal an andere Beamt*innen, denen eben auch mal ‚die Hand ausrutschen’kann.“
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