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Hasso, fass das Virus!

So zuverlässig wie Schnelltests und besser als Apps, und ganz ohne lästige Abstriche: Im Kampf gegen Corona kommen mal wieder die Hundenasen ins Spiel. Denn wenn sie darauf trainiert worden sind, wittern sie die Krankheit im Schweiß der Infizierten. Wissenschaftler:innen der Tierhochschule Hannover erforschen das in Kooperation mit der Bundeswehr

Von Teresa Wolny

Die Hunde haben sichtlich Spaß an der Sache. Kein Wunder – sobald sie die Schnauze in die richtige Öffnung stecken, fällt unten aus der Maschine ein Leckerli oder – je nach Charakter des Hundes – ein Spielball heraus. In den Öffnungen befinden sich Speichelproben mit und ohne Sars-CoV-2-Viren.

Bereits im Juli war von Forscher:innen der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Tiho) eine Pilotstudie zu Corona-Schnüffelhunden veröffentlicht worden. Das Interesse war riesig. Kooperiert hatten sie dabei mit der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Ulmen. Acht Bundeswehr-Spürhunde wurden eine Woche darauf trainiert, Sars-CoV-2-Viren am Geruch zu erkennen.

Nun soll in einer Folgestudie getestet werden, ob die Vierbeiner die Coronaproben auch von denen einer Grippe oder einer Erkältung unterscheiden können. „Dafür brauchen wir aber erst einmal Proben und da war im Sommer nichts zu holen“, erklärt Friederike Twele, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Tiho und eine der Autor:innen der Studie. Jetzt, da die Erkältungssaison wieder losgehe, komme man in Kooperation mit einigen Krankenhäusern auch wieder an solche Proben heran. Auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und das Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg (UKE) sind an der Studie beteiligt.

Twele ist zuversichtlich, dass die Hunde auch die nächste Stufe der Untersuchung schaffen. „Es gab bereits ein paar Studien, die gezeigt haben, dass das Coronavirus zu einem speziellen Geruch führt, der anders ist als der von Grippeerkrankten“, sagt sie. Was die Hunde genau riechen, sei nicht das Virus selbst, sondern die Stoffe, die vom Virus mithilfe der Zellen des menschlichen Körpers freigegeben werden. Für die Studie rochen die Hunde an einer Maschine, die ihnen automatisiert und randomisiert (also zufällig) die Proben präsentierte. Auch der oder die jeweilige Diensthundeführer:in der Bundeswehr wusste also nicht, welche der Proben positiv ist.

Von 1.012 Proben konnten die Hunde 94 Prozent korrekt identifizieren. Sie konnten die Proben von infizierten (positiven) und nicht infizierten (negativen) Menschen mit einer Sensitivität von 83 Prozent und einer Spezifität von 96 Prozent unterscheiden.

Sensitivität bezeichnet das Erkennen der positiven Proben, Spezifität das Erkennen der negativen Kontrollproben. Ähnliche Erfolgswerte hat auch der gängige PCR-Test (kurz für Polymerase-Kettenreaktion) im Labor, wobei die Festlegung auf eine konkrete Zahl aufgrund unterschiedlicher Testbedingungen (etwa ob der Abstrich aus der Nase oder aus dem Rachen kommt) schwierig ist.

„Die Vorstellung darf nicht sein, dass die Hunde durch die Menge laufen und an den Menschen riechen“

Friederike Twele, Veterinärin und Ko-Autorin der Studie

Die Hundemethode könne die Labormethode aber nicht ersetzen, so Twele. Werde sie eingesetzt, könne sie eine spätere Labor-Untersuchung aber durch ein erstes Screening ergänzen. Denn mit der PCR werden meist gezielt Menschen mit Symptomen getestet. Es brauche darüber hinaus zusätzlich eine verlässliche und schnellere Screening-Methode, die etwa auch asymptomatische und präsymp­tomatische Fälle erfasse, heißt es in der Studie.

Der Geruchssinn von Hunden könnte so eine Methode sein. Darüber hinaus könnten Corona-Schnüffelhunde etwa auch in abgelegenen Gebieten oder infrastrukturschwachen Ländern eingesetzt werden, in denen es wenig oder keine Labore gibt. Die Hundemethode sei außerdem sehr viel kostengünstiger.

Die Hunde-basierte Infektionserkennung könnte in Zukunft etwa an Flughäfen oder anderen Orten mit großen Menschenansammlungen eingesetzt werden. „Die Vorstellung darf aber nicht sein, dass die Hunde durch die Menge laufen und an den Menschen riechen“, sagt Twele. Stattdessen würden ihnen in separaten Räumen Proben in einer ähnlichen Art wie im Training präsentiert – es reiche, wenn man dafür auf ein Taschentuch spucke oder huste. Neben den Kosten wäre auch die Schnelligkeit ein Vorteil gegenüber dem PCR-Test, der mindestens einige Stunden oder sogar Tage dauert. „Der Hund trifft die Entscheidung sofort“, so Twele.

Ob Hunde auch selbst an Covid-19 erkranken und Überträger sein können, ist bisher unklar. Um die Infektionssicherheit während der Pilotstudie zu gewährleisten, wurden die Proben chemisch deaktiviert, bevor die Hunde an ihnen schnüffelten. Sie enthielten damit also kein aktives Virus mehr.

„Wir haben sehr strenge Sicherheitsauflagen bekommen um nicht zu riskieren, dass die Hunde zu Überträgern werden“, sagt Twele. Sars-CoV-2 gehört zur Biosicherheitsstufe 3 von insgesamt vier Stufen.

In der Folgestudie solle jedoch auch ein aktives Virus verwendet werden. „Eine Deaktivierung ist im Feldeinsatz ja auch nicht möglich“, so Twele. Beim Riechen an der Maschine hätten die Hunde aber ohnehin keinen physischen Kontakt. Eine weitere mögliche Sicherheitsvorkehrung sei, dass die Hunde nur an gefilterter Luft schnüffelten.

Neben Schäferhunden, die oft als Diensthunde im Einsatz sind, hat das Team auch mit Labradoren, Spaniels und Retrievern trainiert. „Es gibt da keine bestimmte Rasse, die besonders geeignet wäre“, sagt Twele.

Die Hunde der Bundeswehr haben bereits eine Ausbildung, etwa als Spürhunde für Sprengstoffe und Rauschgift. Darum seien sie auch für die Covid-19-Erschnüfflung besonders qualifiziert, heißt es vonseiten der Bundeswehr. Esther Schalke, Verhaltensforscherin und Hundetrainerin an der Schule für Diensthundewesen, die das Projekt begleitet, ist laut Pressemitteilung selbst überrascht, wie schnell die Hunde darauf trainiert werden konnten, die infizierten Proben zu erkennen.

Der Geruchssinn von Hunden, der dem menschlichen um ein Tausendfaches überlegen ist, wird in anderen medizinischen Bereichen bereits eingesetzt. So können Hunde etwa eine Unterzuckerung bei Diabetiker:innen oder einen epileptischen Anfall olfaktorisch „vorhersagen“ und daher als Warnhunde eingesetzt werden.

Laut der hannoverschen Studie sind die Ergebnisse „vielversprechend“, sollten aber nur als erste Vorbereitung gesehen werden, bis weitere Forschungen vorliegen. Neben der Abgrenzung von Influenza- oder Erkältungsviren soll auch untersucht werden, ab welchem Zeitpunkt einer Infektion die Hunde diese riechen können.

Bis die Hunde tatsächlich zum Einsatz kommen könnten, sei es noch ein langer Weg, so ein Bundeswehrsprecher. „Und wenn es dann wirklich möglich sein sollte, Personen, die an Covid-19 erkrankt sind, mittels Spürhund-Detektion zu identifizieren, wird eine Diskussion nötig sein, in welchen zivilen und militärischen Bereichen diese Hunde ihren Dienst verrichten sollen.“ Denn der Einsatz der Bundeswehr im Inland ist an bestimmte rechtliche Voraussetzungen gebunden.

Der Sprecher verweist dafür auf Artikel 35 im Grundgesetz. „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe“, heißt es darin, und er regelt, unter welchen Bedingungen die Armee zur Katastrophenhilfe hinzugezogen werden kann.

Auch in anderen Ländern werden Hunde darauf trainiert, Sars-CoV-2 Infizierte zu erkennen. Die Forscher:innen der Tiho seien bereits kontaktiert und nach Ratschlägen für ähnliche Vorhaben gefragt worden. Feste internationale Kooperationen gebe es jedoch bislang noch keine. „Das wäre sinnvoll und wir sind dafür durchaus offen“, sagt Twele.

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