: Wo Männer einfach mehr verdienen
Das Gesundheitsamt hat Frauen als Coronahelfer*innen offenbar zehn Prozent weniger Honorar gezahlt als Männern. Eine hat sich gewehrt – und wurde prompt gemaßregelt
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von Lotta Drügemöller
Eine krasse Form der Geschlechterdiskriminierung wird der Bremer Gesundheitsbehörde unter Leitung von Senatorin Claudia Bernhard (Die Linke) aktuell von einer Studentin vorgeworfen. „Der Fall ist so unbeschreiblich stumpf, das kann man sich nicht ausdenken“, so deren Rechtsanwalt Johannes Kaiser.
Ann-Kathrin Mattern hatte vom 13. Mai bis Ende Juni einen Job im Referat für Infektionsepidemiologie; die Jurastudentin teilte Corona-Infizierten mit, wann sie aus ihrer Quarantäne durften. Beschäftigt wurde die 32-Jährige vom Gesundheitsamt als Selbstständige. Das Honorar: 28,87 Euro in der Stunde, ein gut bezahlter Job. Nicht aber ein fair bezahlter: Eine Kollegin verdiente ebenso viel wie sie, die beiden männlichen Kollegen, ebenfalls Studenten, bekamen für dieselbe Aufgabe gut drei Euro mehr.
„Ein Kollege hatte mir gesagt, dass er es komisch findet, dass er 32 Euro bekommt“, so Mattern. „Sonst wäre mir das gar nicht aufgefallen.“ Eine Solidarisierung der männlichen Kollegen sei aber ausgeblieben; die weitere Kollegin im Viererteam habe sich aus Angst vor Konsequenzen nicht weiter engagiert.
Mattern nahm sich einen Anwalt und wandte sich an Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte der Behörde. „Die sagten mir, das geht gar nicht. Aber gemacht haben sie meines Wissens nichts.“ Ein leitender Mitarbeiter der Personalabteilung habe sie in einem Gespräch nur angeschrien. „Wirklich schön waren die Wochen im Gesundheitsamt nicht“, resümiert Mattern. Die Jura-Studentin sitzt für die CDU im Beirat Mitte. Es gehe ihr um Gerechtigkeit, sagt sie – aber auch darum, Missstände im rot-grün-roten Senat aufzuzeigen, der sich Gleichberechtigung so auf die Fahne geschrieben habe.
Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard, oberste Dienstherrin der Behörde, ist auch Senatorin für Frauen und Gleichstellung. Vor ihrem Amt war die Linke-Politikerin als Bürgerschaftsmitglied Vorsitzende im Gleichstellungsausschuss. Dass das Gesundheitsressort seit dieser Legislaturperiode mit den Ressorts für Frauen und Gleichstellung zusammenfällt, soll auch auf ihren ausdrücklichen Wunsch zurückzuführen sein.
Es sei „klipp und klar, dass ungleiche Bezahlung völlig indiskutabel und ein absolutes No-Go ist“, heißt es denn auch in dem Statement Bernhards, das zu dem Fall öffentlich herausgegeben wird. „Wir arbeiten derzeit an der genauen Aufklärung, wie es dazu kommen konnte.“ Ansonsten gibt es noch keine Behördenversion der Geschichte. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir uns zu den Details nicht äußern“, heißt es.
Tatsächlich verklagt Mattern das Gesundheitsamt aktuell auf Schadenersatz – nicht wegen des geringeren Stundenlohns, der Betrag ist inzwischen ausgeglichen, sondern wegen der Entscheidung der Behörde, sie nicht weiter zu beschäftigen. Die Studentin bekam als Einzige ihrer Vierergruppe keinen Anschlussvertrag, so sagt sie. Dabei habe ihr eigentlich schon ein Angebot vorgelegen. Zurückgezogen worden sei das, weil sie das Vertrauensverhältnis zerstört habe, als sie einen Anwalt engagierte.
Ein zweiter arbeitsrechtlicher Umstand verkompliziert die Geschichte: Die Beschäftigung auf Selbstständigen-Basis war wohl ohnehin rechtlich nicht wasserfest. Einer Kollegin wurde im Juni von ihrer Krankenkasse eine Scheinselbstständigkeit vorgeworfen. Tatsächlich tauchten die beschäftigten Studierenden im Organigramm der Behörde auf und meldeten sich telefonisch im Namen des Gesundheitsamtes.
Claudia Bernhard (Die Linke), Senatorin für Frauen und Gesundheit
Die Behörde habe die Studierenden daraufhin aufgefordert, ihren Arbeitsvertrag rückwirkend in einen Anstellungsvertrag umzuwandeln, so Rechtsanwalt Kaiser – sonst würde sie ein Strafverfahren erwarten wegen Scheinselbstständigkeit. „Das ist hanebüchen“, meint der Anwalt. „Zwei der Studierenden haben sich aber darauf eingelassen.“
Seine Mandantin gehörte nicht dazu. Der Vertrag nach TVöD 5 hätte nur etwa halb so viel Geld bedeutet, empfangenes Honorar für die bereits geleistete Arbeit hätte Mattern zurückzahlen müssen. „Den Tarifvertrag ab dem 1. 7. hätte ich natürlich gerne angenommen. Aber für den Zeitraum, in dem ich schon gearbeitet hatte, wollte ich doch gerne nach Dienstvertrag bezahlt werden – so hatte ich das ja unterschrieben.“
Das wurde sie nun. Dafür aber steht sie mittlerweile wieder ohne Job da. Über 22.000 Euro fordern Mattern und ihr Anwalt vor Gericht – das ist die Summe, die der Studentin mit einem befristeten Angestelltenvertrag bis Ende Oktober zugestanden hätte. Seiner Mandantin mit der Begründung des Vertrauensverlustes keinen Vertrag anzubieten, sei ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot, so Kaiser. „Man darf nicht dafür gemaßregelt werden, dass man dasselbe Geld haben will wie ein Mann“, sagt der Rechtsanwalt. „Auch nicht dafür, dass man nicht rückwirkend auf die Hälfte des Gehalts verzichten will. Selbst dann nicht, wenn man sich dafür einen Anwalt nimmt.“
Ob es am Ende tatsächlich 22.000 Euro gibt, muss sich noch zeigen. „Im Arbeitsrecht muss man immer vergleichsbereit bleiben“, so Kaiser. Aber ein Angebot werde es wohl geben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Behörde diesen peinlichen Fall bis zum Ende durchkämpfen möchte.“
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