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Wer sind die Guten?

Der „International Guide to Fair Trade Labels“ gibt Orientierung beim Blick auf den fairen Handel

Welche Kriterien und Standards hat der faire Handel? Wie unterscheidet er sich von anderen nachhaltigen Ansätzen? Auf diese Fragen gibt das Kompendium „International Guide to Fair Trade Labels“ Auskunft. Wer das 125-seitige Dokument studiert, weiß, wer, wie und wo mit welchen Labels in Deutschland und in anderen Ländern im fairen Handel unterwegs ist. „Anhand des Sammelwerks können Unternehmen, Regierungen, Organisationen und VerbraucherInnen Kaufentscheidungen treffen, die einen positiven Einfluss auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der ProduzentInnen haben“, erklärt Dana Geffner, Geschäftsführerin des Fair World Projects in den USA.

Einer der Autoren des internationalen Leitfadens ist der Politikwissenschaftler Jonas Lorenz. Er ist Grundsatzreferent beim Forum Fairer Handel und betont, dass es wahre Fair-Labels nur in relativ überschaubarer Anzahl gebe. Allerdings unterscheidet Lorenz deutlich zwischen Nachhaltigkeitssiegeln und denjenigen des fairen Handels. „Ganz viele Label haben zwar nachhaltige Motive, aber unterwerfen sich nicht freiwillig einem Kontrollsystem mit fortlaufenden Prüfungen, wie es im fairen Handel aber der Fall ist“, schält Lorenz den größten Unterschied heraus. Daher bleiben für ihn letztlich nur die Siegel Fairtrade International, Fair for Life, Naturland Fair, World Fair Trade Organization und das noch relativ neue Símbolo de Pequeños Productores (SPP), die für den fairen Handel relevant sind. Zudem: Während viele Nachhaltigkeitslabel ökologische und soziale Aspekte betonen, hat der faire Handel immer die Ökonomie im Blick. „Die Bauern müssen ordentlich entlohnt werden, sonst können die nicht nachhaltig sein“, unterstreicht der Grundsatzreferent. „Wenn sie alle ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsaspekte erfüllen und dadurch unterhalb des Existenzminimums geraten, macht das keinen Sinn.“

Ungeachtet dessen gibt es viele Nachahmer im konventionellen Handel, der aufgrund zivilgesellschaftlichen und handelspolitischen Drucks mittelfristig befürchten muss, früher sicher geglaubte Absatzmärkte durch Nichtstun zu verlieren, und daher Produkte oft holterdiepolter mit wenig überprüfbaren ethischen, ökologischen und sonstigen sozialen Standards etikettiert. Auf diese Weise erhalten viele Produkte ein Label, das zwar die Marketing-Performance verbessern mag, aber in der Substanz nicht immer kontrollierbare Verbesserungen bei Erzeugern und in der nachgelagerten Lieferkette aufweist. Genau das kann ein Konsument, der bestenfalls vor dem Supermarktregal mal kurz die Welt retten möchte, kaum auf Anhieb durchschauen.

Ob die nicht sonderlich segensreiche Labelflut in den nächsten Jahren abebben werde? Das kann auch ein Experte wie Lorenz nicht voraussagen. Er unterstreicht die Fortschritte im Bereich des Fairhandel-Siegels: „Viele Siegel überarbeiten und verbessern ihre Standards kontinuierlich, und auch die Handelsvolumina wachsen weiter.“ Dierk Jensen

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