: Furchtbares Orakel
Das Debüt von Hoffenheims Trainer Sebastian Hoeneß in Köln glückt, Matchwinner Andrej Kramarić schlägt dennoch Alarm
Aus Köln Andreas Morbach
Wenn es sein muss, kann Sebastian Hoeneß von einer Sekunde auf die nächste zur Sphinx werden. Nach dem 3:2-Erfolg seiner Hoffenheimer in Köln gab es mal wieder so einen Moment der Blitz-Metamorphose. FC-Coach Markus Gisdol hatte sich gerade über die diffusen Umstände beim Elfmeter zum 2:1 für die TSG ausgelassen. Referee Daniel Siebert pfiff bei der fraglichen Szene unmittelbar vor der Pause zunächst gar nicht und rang sich dann erst auf Geheiß des Videoschiedsrichters und nach ausgiebigstem Studium der Fernsehbilder zur Strafstoßentscheidung durch. Woraus Gisdol später grantig schlussfolgerte: „Ich glaube, von Hoffenheim hätte sich keiner beschwert, wenn der Elfmeter nicht gepfiffen worden wäre.“
Genau in diesem Moment wurde der Kollege Hoeneß zwei Stühle weiter rechts von ihm zur Sphinx. Nicht mit dem kleinsten Augenzwinkern ließ der 38-Jährige erkennen, was er von Gisdols Statement wirklich hielt. Dessen gleich darauf folgenden guten Wünsche für die frisch begonnene Saison nahm er beim Verlassen des Raums jedenfalls höflich entgegen – und freute sich ansonsten über sein gelungenes Debüt als Cheftrainer in der Bundesliga.
Vom gerne mal aufbrausenden und bei Bedarf sehr direkten Charakter seines Vaters Dieter und seines Onkels Uli sind bei Sebastian Hoeneß maximal Spurenelemente zu entdecken. Der frühere Mittelfeldspieler, der seine Fußballerkarriere bereits mit 28 beendete, ist ein ruhiger, besonnener Typ, der seine Mannschaft aber auch lautstark und leidenschaftlich unterstützt, wenn es nötig ist. So wie in der zweiten Halbzeit, als sich die plötzlich in Apathie verfallenden TSG-Kicker fast um den Lohn ihrer guten Leistung brachten: Kurz vor Schluss kassierten sie das 2:2 – und kamen erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit durch Flügelstürmer Andrej Kramarić zu den drei Punkten.
Als der Sieg zum persönlichen Einstieg in die Erste Liga offiziell war, ließ Hoeneß seine Arme triumphal nach vorne schießen und brüllte zweimal laut und vernehmlich: „Ja!“
Andrej Kramarić
Eher düster blickte trotz des erfolgreichen Nachmittags der Kroate Kramarić voraus. Am nächsten Sonntag empfangen die Kraichgauer den so treffsicher gegen Schalke in die Saison gestarteten FC Bayern. Eine Aufgabe, vor der sich das Hoeneß-Ensemble angesichts des Auftritts am Samstag gehörig fürchten sollte. Das findet zumindest Kramarić, der auf dem Kölner Rasen schimpfte: „Das war kein Hoffenheim. Wir müssen besser spielen und trainieren, sonst reicht es diese Saison nicht.“ Und wenn die Mannschaft noch einmal so auftrete wie gerade in der Domstadt, werde es am kommenden Wochenende „wieder ein Schalke-Ergebnis“ geben.
Sein Trainer, der Sohn des früheren Stuttgart- und Bayern-Stürmers Dieter Hoeneß, nahm dieses furchtbare Orakel erwartungsgemäß gelassen zur Kenntnis. „Auf der einen Seite gefällt es mir, wenn er so etwas sagt. Denn wir müssen kritisch sein – und wir wissen, dass wir noch Arbeit vor uns haben. Aber wir dürfen auch die erste Halbzeit nicht vergessen. Da waren wir sehr zielstrebig, aggressiv, haben hoch verteidigt“, beleuchtete Hoeneß auch die helle Seite des wechselhaften Spiels.
Den Weg der Besserung will der gebürtige Münchner nun seinem Naturell entsprechend „in aller Ruhe und Sachlichkeit“ beschreiten. Und dabei nicht vergessen, dass der Oberkritiker in seinem Team in Köln alle drei Treffer zum Sieg beisteuerte. Am letzten Spieltag der Vorsaison, als der jetzige Bank-Chef der TSG noch die zweite Mannschaft des FC Bayern zum Meistertitel in der 3. Liga coachte, hatte Kramarić bereits alle vier Tore beim Hoffenheimer 4:0 in Dortmund erzielt. „Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, für uns ein Garant für Tore“, lobte Sebastian Hoeneß den hoch ambitionierten Kramaric nun – und dankte vor der Rückreise in den Süden: „Das ist für jeden Trainer schön.“
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