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Bitte schön!

Wer etwas weitergibt, tut nicht nur anderen etwas Gutes, sondern auch sich selbst. Dabei hilft, sich von den eigenen Ängsten zu lösen

Werte für künftige Generationen zu schaffen, ist ein Grundbedürfnis

Von Kristina Simons

Geben macht glücklich. Wer sich gegenüber anderen großzügig verhält, gastfreundlich ist, Geld spendet oder auch jemandem Zeit und ein offenes Ohr schenkt, kennt das gute Gefühl, das sich damit verbindet. Selbst wenn man nicht unmittelbar mit einem Dank oder einem Lächeln dafür belohnt wird. Seit 2017 ist das sogar wissenschaftlich untermauert: Ein internationales Forscherteam um Soyoung Q. Park von der Uni Lübeck konnte mittels Funktioneller Magnetresonanztomographie bei 50 Probanden zeigen, dass es eine neuronale Verbindung zwischen Großzügigkeit und Glück gibt. Bei der auf Großzügigkeit gepolten Versuchsgruppe stellten die Forscher eine erhöhte Aktivität im temporo-parietalen Übergang fest. Dieses Gehirnareal wird mit großzügigem, uneigennützigem Verhalten in Verbindung gebracht. Zugleich veränderte sich bei dieser Gruppe die Verbindung dieser Gehirnregion mit dem Hirnbereich, der für das Glücksgefühl zuständig ist.

Großzügigkeit ist das Schmiermittel menschlicher Gesellschaften. Gastfreundschaft, Spenden für wohltätige Zwecke oder ehrenamtliche Tätigkeiten sind fundamental für ihren Zusammenhalt. Wie großzügig sich jemand verhält, hängt nicht von ihrem oder seinem Vermögen ab. Eindrücklich belegen das zwei Geschichten in der Zeit von 2011 und 2012: Maria und Josef im Ghetto des Geldes sowie Maria und Josef in Neukölln. Als obdachloses Paar verkleidet, zogen der Zeit-Redakteur Henning Sußebach und die Schauspielerin Viola Heeß kurz vor Weihnachten durch mehrere Städte im Taunus. Laut Gesellschaft für Konsumforschung leben hier die wohlhabendsten Menschen Deutschlands. Doch die von ihnen erhoffte Hilfe blieb aus. Kaum jemand war auch nur ansatzweise bereit, mit den beiden zu sprechen, geschweige denn, ihnen Geld oder Obdach zu geben. Selbst der Pfarrer ließ sie nicht mit ihren Schlafsäcken im Pfarramt übernachten.

Nach Veröffentlichung der Geschichte bekam die Redaktion viele Briefe mit dem Tenor: Arme Menschen wären auch nicht mitfühlender gewesen. Um das zu überprüfen, zog Henning Sußebach ein Jahr später mit der Journalistin Nadine Ahr durch das für seine hohe Hartz-IV-Quote bekannte Berlin-Neukölln. Ausgerechnet im armen Neukölln erfuhren die beiden auf obdachlos getrimmten Reporter viel Hilfe: von Essen und Trinken über warme Socken bis hin zu Schlafplätzen. Menschen hörten ihnen zu und boten ihnen ohne zu zögern Unterstützung beim Gang zum Amt, bei der Job- und Wohnungssuche an. Hier in Neukölln bestätigten sich wissenschaftliche Erkenntnisse, die amerikanische Psychologen der University of California gewonnen hatten: Demnach sind Personen aus unteren sozialen Schichten im Alltag stärker auf Kooperation angewiesen als Menschen aus reichen Haushalten. Da sie selber Sorgen kennen würden, entwickelten sie ein besseres Gespür für die Emotionen ihrer Mitmenschen und seien mitfühlender.

Dass Geben auch sinnstiftend wirkt, hat die Psychologieprofessorin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck festgestellt. In einer Studie hat sie untersucht, worin Menschen am meisten Sinn in ihrem Leben finden. Als wichtigste Sinnquelle überhaupt erwies sich dabei die sogenannte Generativität: etwas von bleibendem Wert zu tun oder zu schaffen, sich den kommenden Generationen und der Menschheit im Allgemeinen verpflichtet zu fühlen und danach zu handeln. Genau das fordern auch die Schülerinnen und Studierenden der Bewegung Fridays for Future, die seit zwei Jahren für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen: Die Alten müssen mehr an die Jungen denken und sich stärker für die Zukunft des Planeten einsetzen, auch wenn das bedeutet, Klimaschutz über die eigene Bequemlichkeit zu stellen. „Nach mir die Sintflut“ lassen sie nicht mehr gelten.

Der Begriff Generativität stammt übrigens von dem Entwicklungspsychologen Erik Homburger Erikson. Er bezeichnet damit die siebte Stufe der psychosozialen Ich-Entwicklung im Alter von 45 bis 65 Jahren. Diese Phase ist von dem Bedürfnis geprägt, Werte für künftige Generationen zu schaffen, weiterzugeben und abzusichern, sei es durch Kindererziehung, Unterrichten, durch Künste, Wissenschaften oder soziales Engagement. Nach Erikson entwickelt sich diese Haltung nur, wenn der Mensch ein grundsätzliches Gefühl von Vertrauen hat. Und hier kommt die Kindheit ins Spiel: Für den Psychologen Wolfgang Schmidbauer ist der Aspekt Angst entscheidend dafür, ob eine Person großzügig oder kleinlich ist, also gerne etwas weitergibt oder lieber für sich behält. Großzügige Menschen hätten als Kinder wahrscheinlich weniger Angst haben müssen, vermutet er. „Hat jemand in der Kindheit vorwiegend gute Erziehungserfahrungen gemacht, dann ist es für ihn natürlich viel leichter, großzügig zu sein, weil er dann eher davon ausgeht, dass Menschen im Prinzip freundlich sind“, so Schmidbauer im Interview mit Zeit Wissen. „Wenn man davon ausgeht, dass Beziehungen positiv sind und man von anderen Menschen vorwiegend Unterstützung erwarten kann, dann ist man auch selbst geneigt, andere zu unterstützen.“

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