: „Das ist ein großer Wurf“
Christoph Schmidt von der landeseigenen Grün Berlin über den heutigen Umgang mit Stadtgrün
Christoph Schmidt
ist Geschäftsführer der landeseigenen Grün Berlin GmbH, die unter anderem den Gleisdreieck- und den Mauerpark betreut.
Interview Uwe Rada
taz: Herr Schmidt, Berlin feiert 150 Jahre Stadtgrün. Ist das eine Erfolgsgeschichte?
Christoph Schmidt: Ja, absolut. Die Gründerväter haben viel Gutes geschaffen, sodass man hier von einem großen Erfolg der Stadtentwicklungsgeschichte sprechen kann. Die räumlichen Strukturen waren vorbildlich und prägen uns heute noch. Dazu zählen unsere interessanten öffentlichen Stadträume, die Grünflächen und die Parks.
Ist diese Geschichte der Grünverwaltung auch der Grund, warum Berlin sehr viel mehr Grünflächen hat als andere Metropolen?
Das glaube ich schon. Wenn man es noch einmal historisch betrachtet, dann hat es diese Form der Grünverwaltung in anderen Metropolen nicht gegeben. Hinzukommt, dass in der Vergangenheit Stadtentwicklung und Grün zusammengedacht und entwickelt wurden, da hatte Berlin damals eine Vorreiterrolle und profitiert bis heute von dem Ansatz. Allerdings hat es in den letzten Jahrzehnten auch große Veränderungen und Anpassungserfordernisse gegeben, bei denen es schwierig war, diese Kontinuität beizubehalten.
Sie sind als landeseigene GmbH erst spät, also 1997, in der jetzigen Form gegründet worden. Welche Rolle spielt Grün Berlin im institutionellen Gefüge des Stadtgrüns, also im Verhältnis zu den Bezirken und der Senatsverwaltung für Umwelt?
Wir sind ein landeseigenes Unternehmen und verstehen uns als moderner Dienstleister im Kontext grüner Infrastruktur, Parks und öffentlicher Räume. Wir versuchen, mit unseren Kompetenzen im Entwickeln, Bauen und Betreiben da ergänzend tätig zu sein, wo es um größere, übergeordnete und komplexere Projekte geht, die auch eine stadtentwicklungspolitische Bedeutung haben. Es gibt keine Konkurrenz zu den Bezirken, die ihre eigenen Aufgaben haben. Erfreulich ist, dass wir verstärkt auch von den Bezirken angefragt werden im Sinne einer partnerschaftlichen Unterstützung für Projekte und Bauvorhaben.
Weil Sie das besser können als die Bezirke und auch andere Ressourcen und Mittel zur Verfügung haben?
Ich will nicht sagen, dass wir es besser können. Wir haben vielleicht im Querschnitt unserer Kompetenzen ein etwas breiteres Portfolio. Im Unternehmen existieren über 20 unterschiedliche akademische Berufsgruppen. Daran sieht man auch, dass das Thema Entwicklung und Management des öffentlichen Raums unglaublich komplex geworden ist, insbesondere bei den größeren Projekten. Die brauchen sehr viel mehr Querschnittskompetenz als noch vor Jahren. Möglicherweise ist ein solches Landesunternehmen, wie wir es sind, etwas flexibler in den Strukturen im Vergleich zu einer Verwaltung.
Manche sagen, auch der Tiergarten wäre bei Ihnen in besseren Händen als im Bezirk Mitte. Wann werden Sie ihn übernehmen?
Das kann ich nicht sagen, das würden auch nicht wir entscheiden. Wir kämpfen nicht darum, den Bezirken etwas wegzunehmen. Ganz im Gegenteil, es wäre schön, wenn der Bezirk in der Lage ist, seine Freiflächen auch in der Zukunft verantwortlich zu pflegen.
Die Tendenz ist doch aber, dass immer mehr Grünflächen von den Bezirken bei der Grün Berlin GmbH landen?
Wenn ein Bezirk, der das gerne möchte, uns als Partner an seiner Seite sieht, unterstützen wir gerne.
1915 hat Berlin mit dem Dauerwaldvertrag einen großen Wurf gelandet und den Grunewald als Waldfläche dauerhaft vor Spekulation gerettet. Ist die Charta für das Stadtgrün ein ähnlich großer Wurf?
Ja, dass sehe ich so. Es ist eine Selbstverpflichtung des Landes für den dauerhaften Erhalt der Grünflächen in einer wachsenden Stadt. Da die Charta für das Stadtgrün im Parlament entschieden und mitgetragen wird, halte ich das für einen absoluten Meilenstein. Das hat es so bislang noch nicht gegeben. Damit hat man anerkannt, dass das Grün und der öffentliche Raum zukünftig eine andere Rolle haben sollen. Das muss aber auch dazu führen, dass damit ausreichende Budgets für alle im Kontext dieser Aufgabenstellung Verantwortliche zur Verfügung gestellt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen