piwik no script img

Die Betten bleiben in Bremen

Die Bremer Krankenhausgesellschaft kritisiert das neue Krankenhausgesetz als zu bürokratisch. Dahinter steht womöglich eher die eigene Angst vor Bedeutungsverlust

Dass wirklich Klinikangebote wegen des neuen Finanzierungsmodells aus Bremen abwandern, ist unwahrscheinlich Foto: Daniel Bockwoldtl/dpa

Von Benno Schirrmeister

Eine bessere Patient*innen­versorgung, optimierte Datenschutzregeln, das Verhindern von Betreuungslücken nach Klinikaufenthalten und eine passgenauere Planung und Förderung von Neubauvorhaben – die Ziele des neuen Bremer Krankenhausgesetzes sind allgemein anerkannt und fast schon hehr. Und die Meinung herrscht vor: Der Entwurf aus dem Hause von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) ist auch das richtige Mittel, sie zu erreichen. Ausgerechnet diejenigen, die ihn umsetzen müssen, sträuben sich allerdings: Dort, wo es ums Geld und dessen neue Verteilungsmodalitäten geht, würde die Neuregelung zu einer überbordenden Bürokratie führen, warnt Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Bremischen Krankenhausgesellschaft.

Mehr Bürokratie – oder vereinfachtes Verfahren?

Die Krankenhausgesellschaft ist ein Verein, in dem Träger von Bremischen Krankenhäusern Mitglied werden können – sowohl die privaten und gemeinnützig-freien als auch die öffentlichen. Seine Aufgabe: deren gemeinsame Interessen vertreten. Und zu den dramatischen Folgen, die Zimmer behauptet, durch die Novelle am Horizont heraufziehen zu sehen, gehört die, dass jetzt im Prinzip jeder neue Bürostuhl in ein langwieriges Genehmigungsverfahren“ gedrängt würde.

Das wäre in der Tat grotesk, auch wenn im letzten Bremer Klinikskandal kurz nach der Jahrhundertwende eine Krankenbetttischchen-Großbestellung eine erhebliche Rolle spielte. Allerdings: Das Ressort beharrt darauf, keine zusätzliche Bürokratie zu erzeugen. Das Verfahren werde „vereinfacht“, so eine Sprecherin der Senatorin.

Pauschale bleibt, Einzelförderung kommt hinzu

Zugleich würden „mehr Gestaltungsmöglichkeiten“ geschaffen, nämlich durch die Einführung einer Regel, wie Einzelvorhaben anzumelden sind. Bislang gibt es dafür in sehr engem Rahmen einen Zuschuss, ansonsten bekommen die Krankenhäuser eine Pauschale, die sich aus Bettenzahl und medizinischen Faktoren errechnet. Über die dürfen auch künftig Bürostühle in sinnvoller Menge angeschafft werden: das neue Gesetz soll diese Finanzierungsinstrumente beibehalten. Es sieht aber zusätzlich noch die Förderung von Einzelprojekten vor.

Zimmer glaubt, die heute bereits existierende Zuschlagfinanzierung würde dafür reichen. Das Ressort sieht das nicht so: Deshalb liegt beispielsweise aktuell die Zusage der Gelder für den Neubau der Neonatologie des Klinikum Bremerhaven Reinkenheide auf Eis, obwohl alle Fraktionen versichern, den dringend zu wollen. Zwar wird in Bremen Mitte schon jetzt gebaut wie verrückt, obwohl auch dort die Finanzierung nicht durch die Pauschale abgedeckt ist. Möglich ist das dort aber nur, weil die Stadt gebürgt hat, ein erhebliches Risiko. Das wird durchs Gesetz zwar nicht beseitigt – aber immerhin bedeuten die neuen Regeln auch neue Kontrollmöglichkeiten.

Krankenhausgesellschaft sieht ihren Einfluss sinken

Kontrolle ist gut – solange man nicht selbst kontrolliert wird. Die KHG sieht ihre Machtposition auch an anderer Stelle beschädigt: So werde „mit dem neuen Gesetz die organisierte Ärzteschaft zum bestimmenden Faktor für den Zuschnitt der Fachabteilungen“ rügt Zimmer, während das Ressort versichert, man nutze nur den „Sach- und Fachverstand der Ärztekammer zur Beurteilung einer erforderlichen Weiterbildungbefugnis des behandelnden Arztes“.

Tatsächlich gesteht der Referent*innenentwurf der Mediziner*innen-Lobby bei der Planung und bei der Ausbildungskontrolle einen aktiveren Part zu als bislang. War die Kammer bisher „anzuhören“, ist sie künftig „einzubeziehen“ beim Erstellen des Landeskrankenhausplans. Aber vom Durchregieren ist einbezogen werden noch ziemlich weit entfernt.

Jeder neue Bürostuhl müsse künftig langwierig genehmigt werden, so die Behauptung

Anderswo werden Krankenhäuser schlechter finanziert

Trotzdem schreckt Zimmer nicht davor zurück, die gute alte Fabrikbesitzerdrohung auszupacken, nach der „Diagnose- und Behandlungsangebote in niedersächsische Krankenhäuser abwandern“ könnten.

Ein wenig schlüssiges Szenario, gerade weil es kein Mittel wäre, der Unterfinanzierung zu entkommen. Zwar werden in Bremen die realen Bedarfe der Krankenhäuser von rund 80 Millionen Euro nur zu etwas über der Hälfte abgedeckt. Aber in den Ländervergleichen steht man damit noch gut da – Bremen gibt bundesweit die meisten Fördermittel pro Bett-, pro Fall- und pro Einwohner*in in die Krankenhäuser des Landes.

Die Gesundheitsproduktion ins Ausland zu verlagern hieße insofern ohnehin nur, vom Regen in die Traufe auszuwandern. „In Niedersachsen ist die Investitionsquote noch etwas geringer“, muss Zimmer auf Nachfrage einräumen, auch wenn man dort mit haushaltsrechtlich fragwürdigem Sondervermögen Extra- Milliarden locker gemacht hat – und die Uni-Kliniken ohnehin anders finanziert werden.

Vor allem aber sind die Angebote der Kliniken in allen Bundesländern Teil der politischen Planung – und nicht der Kräfte des freien Marktes. Man kann sie nicht einfach verlagern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen