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Reizgas liegt in der Luft

Die Erschießung eines rechten Aktivisten in Portland zeigt: In den USA nimmt die Gewalt zwischen Rechten und Linken zu. Das nützt Trump im Wahlkampf und schadet Biden

Von Bernd Pickert

Der gewaltsame Tod eines rechten Pro-Trump-Aktivisten am Samstagabend bei Zusammenstößen mit Linken in Portland im US-Bundesstaat Oregon entfacht eine politische Gewaltdebatte. Der Erschossene, inzwischen identifiziert als Aaron Danielson, aber auch bekannt unter dem Namen Jay Bishop, trug zum Zeitpunkt seines gewaltsamen Todes eine Kappe mit der Aufschrift „Patriot Prayers“, eine rechte Gruppe von Trump-Unterstützern. Auf sozialen Medien ist ein Video von ihm zu finden, in dem er den rechtsextremen Rassisten Jeremy Christian verteidigt, der 2017 zwei Menschen umgebracht und einen weiteren schwer verletzt hatte und später zu zweimal lebenslänglich verurteilt wurde. Präsident Donald Trump teilte am Sonntag auf Twitter einen Post, in dem Bishop als „guter Amerikaner“ gepriesen wird, der von der Antifa ermordet worden sei. „Ruhe in Frieden Jay“ schrieb der Präsident.

Die genauen Umstände, die zu der Auseinandersetzung führten, im Laufe derer zwei Schüsse fielen, sind noch immer unklar. Zwar gibt es Videoaufnahmen von der Szene, aber sie sind schwer zu erkennen. Man hört Geschrei, dann fallen die Schüsse, gleichzeitig liegt offenbar Reizgas in der Luft.

Zu vermuten ist, dass Bishop zu den Trump-Anhängern gehörte, die am Abend in einem Autokorso mit US- und Trump-Fahnen durch Portland gefahren waren. Schon am Rande des Konvois gab es Zwischenfälle, als vom Autokorso aus protestierende Anhänger*innen der Black-Lives-Matter-Bewegung mit Paintball-Kugeln beschossen und mit Pfefferspray attackiert wurden. Zum Zeitpunkt der Schüsse auf Bishop war der Korso bereits beendet, und am Tatort war kaum Bewegung auf der Straße.

Der mutmaßliche Schütze, gegen den die Polizei ermittelt, soll laut der Zeitung The Oregonian der 48-jährige Michael R. sein, ein Profi-Snowboarder, der seit einigen Monaten auf sozialen Medien über seine Teilnahme an Black-Lives-Matter-Protesten schreibt und dort auch seine Unzufriedenheit damit ausdrückt, dass es bei reinen Protesten bleibt. Er soll bereits am 5. Juli bei einem Protest mit einer geladenen Waffe festgenommen worden sein. Auf Videoaufnahmen vom Samstag in Portland ist er zu einem früheren Zeitpunkt zu sehen, wie er gewillt ist, eine Waffe zu ziehen, aber von einem anderen Protestierenden davon abgehalten wird. Familienangehörige identifizierten ihn laut The Oregonian inzwischen auch als einen Mann, der sich auf einer Videoaufnahme vom Samstagabend nach den Schüssen vom Tatort entfernt.

Bereits früher am Abend war in Portland von Schüssen berichtet worden – zweimal soll aus einem Privatauto geschossen worden sein, das Trump-Anhänger*innen gehörte. Verletzt wurde niemand. Später tauchten gewaltbereite Anhänger der rechten Gruppe „American Wolf“ auf, die sich allerdings nach kurzer Anschreierei mit ihren Gegner*innen wieder entfernten.

Auch in anderen US-amerikanischen Städten kam es am Wochenende zu Auseinandersetzungen. In Kalamazoo (Michigan) lieferten sich Angehörige der rechten „Proud Boys“ eine Massenschlägerei mit Black-Lives-Matter-Aktivist*innen. In Chicago, Washington und Minneapolis kam es zu Angriffen auf die Polizei am Rande von Black-Lives-Matter-Protesten.

Für Präsident Donald Trump waren die Ereignisse Anlass für eine ganze Serie von Tweets, in denen er den demokratischen Bürgermeister Portlands der Untätigkeit bezichtigte und in Großbuchstaben „RECHT UND ORDNUNG“ forderte. Trumps demokratischer Kontrahent Joe Biden sah sich genötigt, erneut öffentlich zu versichern, dass er Gewalt auf beiden Seiten verurteile. Er beschuldigte seinerseits Trump, die Gewalt für Wahlkampfzwecke anzuheizen.

Tatsächlich scheinen die Bilder von den Auseinandersetzungen dem Trump-Lager zu nutzen. In den letzten Wochen ist Bidens Vorsprung in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl beträchtlich geschrumpft. Filmemacher Michael Moore, einer der wenigen, die 2016 Trumps Wahlsieg korrekt vorausgesagt hatten, warnt auf sozialen Medien immer drängender, das könnte sich wiederholen.

Am Dienstag will Trump die Stadt Kenosha in Wisconsin besuchen, wo am 23. August der Schwarze Jacob Blake von Polizisten siebenmal in den Rücken geschossen worden war. Mit der Familie Blake hat Trump keinen Kontakt aufgenommen – aber er will den Schaden durch die Unruhen besichtigen, die auf die Schüsse gefolgt waren.

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