heute in bremen: „Diese Bequemlichkeit ist natürlich da“
Tobias Peters 47, ist Referent für Publikationen, Kultur und Geschichte an der Landeszentrale für Politische Bildung Bremen.
Interview Selma Hornbacher-Schönleber
taz: Herr Peters, jahrzehntelang wurde dem Genozid bei der Schlacht am Waterberg am 11. August 1904 im heutigen Namibia nicht so intensiv gedacht wie in diesem Jahr. Wieso ist das so?
Tobias Peters: Die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte führt immer noch ein Schattendasein in der öffentlichen Debatte. Aber vor 100 Jahren endete eben nicht nur der Erste Weltkrieg, sondern auch der deutsche Kolonialismus. Bremen hat relativ früh begonnen, sich damit auseinanderzusetzen und nimmt in der Erinnerungsarbeit eine Vorreiterrolle ein.
Das mag sein. Aber es ist ja auch viel bequemer, sich erst so viel später selbstkritisch zu äußern.
Ja, diese Bequemlichkeit ist natürlich da. Aber der Einfluss des Kolonialismus auf die deutsche Gesellschaft ist immens, zum Beispiel in Form von alltäglich präsentem Rassismus. Das Thema ist absolut aktuell, das haben auch die Entwicklungen der letzten Monate gezeigt. Also etwa Debatten um Black Lives Matter oder die Denkmalstürze. Manche Denkmäler kann man zu Mahnmalen umfunktionieren. Das sieht man am Bremer Elefanten, der 1990 zum Antikolonialdenkmahl umgewidmet wurde. Aber das muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Was können Sie zum historischen Anlass der Gedenkveranstaltung sagen?
Man ist sich heute weitestgehend einig, dass die Schlacht von Ohamakari der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts war. Bis 1908 dauerte der Kolonialkrieg und die systematische Verfolgung und Vernichtung der Ovaherero, Ovambanderu und Nama/Damara an. Bis zu 80.000 Menschen wurden dabei ermordet. Das hat im heutigen Namibia zu einer Spaltung geführt, bei der es auch um den Kampf für Entschädigung geht.
Wie steht das heutige Bremen damit in Verbindung?
Gedenk-Veranstaltung im internen Kreis: 11 Uhr, Nelson-Mandela-Park
Bei der Kolonialisierung des heutigen Namibias spielte Bremen eine besondere Rolle: Von hier aus begann der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz 1883 seine Reise und leitete die deutsche Kolonisierung des späteren „Deutsch-Südwestafrika“ in die Wege. Da diese deutsche Kolonialherrschaft durch Lüderitz initiiert wurde, sieht Bremen für sich seit den 1970er-Jahren eine besondere Verantwortung für das Thema Kolonialismus und seine Folgen.
Welche konkreten Forderungen sind mit der heutigen Gedenkfeier verbunden?
Es ist nicht in unserem Sinne, im Rahmen dieser Gedenkstunde große politische Forderungen zu erheben. Wir wollen das Gedenken den Opfern der Schlacht von Ohamakari widmen und regelmäßig dafür sensibilisieren, dass koloniale Denkmuster bis heute zu Alltagsrassismus und rassistischer Diskriminierung führen.
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