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„Pioniere der olfaktorischen Kunst“

Für seine nächste Jahresausstellung sucht der Verband Bildender Künstler*innen Kreative, die sich mit dem Thema „Geruch“ auseinandersetzen

Ingmar Lähnemann, 45, ist Kurator der Städtischen Galerie Bremen.

Interview Selma Hornbacher-Schönleber

taz: Herr Lähnemann, was hat Geruch mit Kunst zu tun?

Ingmar Lähnemann: Geruch ist ein Schlüsselsinn: Er wird nicht zuerst durch das Gehirn gefiltert, er führt uns direkt dorthin, wo Emotionen und Erinnerungen sitzen. Er ist sehr direkt, aber auch flüchtig. Vielleicht ist er deshalb in der Bildenden Kunst über Jahrhunderte vernachlässigt worden. Aber in einer Stadt wie Bremen ist man ständig damit konfrontiert: Wenn ich über die Weser­ laufe, riecht es nach Malz, Schokolade und Kaffee. Das hat natürlich eine Bedeutung und viel mit Bremen als Handelsstadt und der Kolonialgeschichte zu tun.

Wie stellt man Düfte denn aus?

Schon durch Bilder und Benennungen haben wir direkt einen Geruch in der Nase. Aber viele stellen auch Dinge aus, die riechen. Da gibt es klassische Duftstreifen, die wir von Parfum kennen. Es kann auch eine Wand mit einem Duft gestrichen werden, oder man lässt den Duft einströmen. Aber die Ausstellung von Geruch ist immer schwierig und kuratorisch eine Herausforderung.

Wie hat die Kunst sich bisher mit Geruch beschäftigt?

Über Jahrhunderte gibt es da nur wenig, zumindest im Westen. In der weltweiten Kunst gibt es viel mehr dazu: In Ägypten wurde historisch ein riesiger Wert auf Geruch gelegt. Dass es hier weniger gibt, liegt auch an der Philosophiegeschichte: Wegen der direkten Verbindung zu Emotionen war Geruch nicht der Sinn der Aufklärung. Erst seit dem 20. Jahrhundert beginnen Künstler*innen, direkt mit Geruch zu arbeiten, und wirklich gleichwertig mit anderen Kunstformen betrachtet wird er erst in den 80er-, 90er-Jahren.­ Einige der internationalen Künstlerinnen und Künstlern, die wir eingeladen haben, sind echte Pioniere der olfaktorischen Kunst gewesen.

Wie funktioniert so eine Ausstellung in Corona-Zeiten?

An vielen Stellen wird es eine normale Ausstellung mit den coronabedingten Hygiene­maßnahmen sein. Wie wir es mit Masken machen, müssen wir uns noch überlegen. Was bestimmt spannend wird, ist, ob es durch den Diskurs um Corona nicht auch zu neuen Projekten kommen wird. Die Ausschreibung für die Bremer Beiträge zur Ausstellung hat ja gerade erst begonnen.

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