Rheingauer Weinbrunnen in Berlin: „Es fehlt einem was“
Der Winzer Heinrich Basting kommt jeden Sommer nach Berlin, um Riesling auszuschenken. Ein Gespräch über den Geschäftsausfall in Zeiten von Corona.
taz: Herr Basting, Sie gehören zu den drei Winzern aus dem Rheingau, die seit vielen Jahren im Sommer auf dem Rüdesheimer Platz in Berlin einen Weinausschank betreiben. Wann haben Sie erfahren, dass Sie dieses Jahr zu Hause bleiben müssen?
Heinrich Basting: Normalerweise geht die Saison Mitte Mai los. Ungefähr zwei Wochen vorher kam der Anruf von Herrn Naumann …
… Reinhard Naumann, SPD, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf.
Wir stehen mit ihm in regelmäßigem Kontakt. Ich hatte mich auf Einschränkungen eingestellt, aber gehofft, dass wir vielleicht Anfang Juli oder Anfang August wenigstens noch für ein paar Wochen aufmachen können. So dass der Verlust nicht ganz so schlimm ist. Aber Herr Naumann hat uns ganz klar mitgeteilt, dass dieses Jahr wegen Corona überhaupt nichts zu machen ist.
Heinrich Basting, geboren 1958 in Oestrich-Winkel im Rheingau, betreibt das Weingut mit seinen Söhnen Andreas und Lucas: 11 Hektar Weinberge, vier Rebsorten, hauptsächlich Riesling. Seit 1640 besitzt die Familie Weinberge. Heinrichs Vater Adam Basting hat 1959 angefangen zu keltern und sich auf den Verkauf von Flaschenweinen spezialisiert. Vorher wurden die Trauben verkauft oder zu Most verarbeitet. Die Weingüter Basting, Abel und Nikolai sind normalerweise jeden Sommer am Rüdesheimer Platz vertreten. Weine können auch über ihre Onlineshops bezogen werden.
Das Holzhaus, von dem aus der Wein in Gläsern ausgeschenkt wird, steht normalerweise auf der Empore im Park neben dem Siegfriedbrunnen. Die Besonderheit ist, dass die Gäste ihr eigenes Essen mitbringen können. Was wäre dort zu normalen Zeiten gerade los?
Bei schönem Wetter brummt der Laden. Der Platz ist dann brechend voll. An den Tischen gibt es 250 Sitzplätze. Die Gäste wechseln natürlich. Wir haben von 15.00 bis 21.30 Uhr auf. Da kommen locker mal 500, 600 Personen pro Tag.
Der „Weinbrunnen“ genannte Open-Air-Betrieb ist normalerweise von Mai bis September geöffnet. Wer von den drei Winzern wäre gerade mit dem Verkauf dran?
Jedes beteiligte Weingut hat 36 Tage Ausschank. Insgesamt sind das 108 Tage. Man teilt sich die Zeit in zwei Abschnitte auf. In der Regel fange ich an, dann kommt der Kollege Abel, dann komme ich noch mal, dann der Kollege Nikolai, dann wieder der Kollege Abel. Und ganz am Ende noch mal der Kollege Nikolai.
Wie viel Prozent Ihres Gesamtumsatzes generieren Sie ungefähr in Berlin?
Wenn man den Flaschenverkauf mitberechnet, ist es rund ein Drittel. Wir fahren ja auch noch mal vor Weihnachten nach Berlin und beliefern unsere Kunden. Wir müssen unseren Betrieb deswegen nicht schließen. Wenn man ein bisschen Rücklagen hat, ist dieses Jahr zu ertragen, trotzdem ist es ein harter Verlust.
Der Weinbrunnen hat eine 52-jährige Tradition. Was wissen Sie über die Geschichte?
Die Empore im Park wurde ursprünglich mal von einem Berliner bewirtschaftet. Weil Wilmersdorf mit dem Rheingau-Taunus-Kreis verschwistert ist, hat dieser Berliner dort Weine aus dem Rheingau ausgeschenkt.
Das 1910 gebaute Viertel heißt ja auch Rheingau-Viertel. An den Hausfassaden befinden sich Fresken in Form von Weintrauben.
Viele Straßen, die es im Rheingau gibt, gibt es auch rund um den Rüdesheimer Platz. Von dem damaligen Berliner Wirt ist der Schankbetrieb später auf Rheingauer Weingüter übergegangen. Seit 1998 teilen sich drei Winzer im Sommer den Ausschank untereinander auf.
Sie selbst kamen mit Ihrem Weingut Basting 2002 dazu.
Mein Vorgänger musste aus Altersgründen aufhören. Ich habe seine Weinberge übernommen. Damals war noch Monika Thiemen Bezirksbürgermeisterin. Sie hat zugestimmt, dass ich auch seinen Anteil am Ausschank in Berlin übernehme. Frau Thiemann hat uns hier auch mal besucht.
War der jetzige Bezirksbürgermeister Naumann auch schon bei Ihnen im Rheingau?
Ja klar, schon öfter.
Was für einen Wein tischen Sie dann auf?
Herr Naumann bevorzugt eher einen trockenen Riesling (lacht). Sein Mann trinkt am liebsten Sekt.
Trinken Sie mit Ihren Gästen mit?
Wenn ich am Rüdesheimer Platz im Weinstand bin, probiere ich höchstens mal einen Wein. Das ist aber das Maximale. Man hat ja meistens schon den neuen Jahrgang mit und will wissen, wie er sich entwickelt. Wir haben in Berlin 18 Sorten dabei, jeder Wein ist anders. Ich trinke sehr gerne Wein, aber man wird nicht erleben, dass ich während der Öffnungszeiten in den Weinständen ein komplettes Glas Wein oder Schorle trinke.
Zu Hause schaffen Sie aber eine Flasche?
Locker (lacht), aber alles nach Feierabend. Winzern wird ja gern nachgesagt, sie wären selbst ihre besten Kunden. Aber bei mir gibt es da ganz eiserne Regeln.
Wo genau befinden sich Ihre Weinberge?
Bei Rüdesheim und Bingen macht der Rhein einen Knick und fließt nordwestlich weiter. Der Bogen ergibt einen Südhang. Wir haben hier einen schweren Schieferverwitterungsboden. Der ist ideal, um den Riesling anzubauen. Insgesamt bewirtschaften wir 11 Hektar, für einen Familienbetrieb ist das ganz ordentlich. In den letzten Jahren haben wir ein bisschen aufgestockt, weil meine zwei Söhne jetzt mit im Betrieb sind.
Sie haben den Betrieb von Ihrem Vater übernommen. Geschah das aus freien Stücken?
Für mich hat es nie etwas anderes gegeben, als Winzer zu werden. Schon in der Grundschule durfte ich immer eine Stunde früher nach Hause gehen, wenn Weinlese war (lacht).
Apropos Weinlese. Wann beginnt die Ernte dieses Jahr?
Früher hat sie bei uns im Rheingau meistens erst Mitte Oktober begonnen. Der Riesling ist eine sehr spät reifende Rebsorte. Auch beim Rotwein haben wir Spätburgunder, der spät reif ist, wie der Name eben schon sagt. Allerdings muss man sagen, dass durch die Klimaverschiebung alles etwas früher geworden ist. Wir beginnen jetzt meistens schon Ende September mit der Ernte.
Wie wird dieser Jahrgang?
Das kann man noch nicht sagen. Da braucht bloß eine Hagelfront über den Rheingau zu gehen und die Trauben sind zerstört. Wenn es allerdings so bleibt, wie es momentan aussieht, scheint es wieder ein ganz guter Jahrgang zu werden. So wie 2019, und vor allen Dingen, wie es 2018 war.
Sie meinen den Hitzesommer, wo kaum Niederschlag fiel?
Ja, das war ein besonders ideales Jahr.
Sind die Winzer die Profiteure des Klimawandels?
Profiteure vielleicht nicht unbedingt, aber es schadet uns auch nicht großartig. Die Rebe steckt das ganz gut weg. Auch 2018, wo es diese extreme Hitze gab, hat das Weinbergen, die älter als fünf Jahre waren, nichts ausgemacht. Die Wurzeln gehen bis zu acht Meter tief in die Erde und holen sich dort ihr Wasser.
Jetzt, wo Sie diesen Sommer nicht nach Berlin fahren, können Sie die Zeit zu Hause wenigistens genießen?
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich fahre sehr gerne nach Berlin. Es fehlt einem was, abgesehen vom finanziellen Verlust. Wir haben ein schönes Verhältnis zu den Gästen dort aufgebaut. Und auch zu den vielen Berliner Mitarbeitern, die uns helfen am Stand, haben wir freundschaftliche Verhältnisse.
Der Weinbrunnen hat in den letzten Jahren Schlagzeilen gemacht, weil ein Anwohner wegen ruhestörenden Lärms geklagt hatte. Hatten Sie Angst, dass er Ihnen das Geschäft kaputt macht?
Klar hatten wir Sorgen, da stand etwas sehr Wichtiges für uns auf der Kippe. Das ist ja dann vom Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht abgelehnt worden. Trotzdem hat er noch weiter gemacht und ist vor das Bundesverwaltungsgericht gegangen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging Anfang 2020. Das Gericht hat einige Auflagen gemacht, aber der Fortbestand des Weinbrunnens an sich sei nicht gefährdet, sagte Bürgermeister Naumann zur taz.
Der Kläger war aber auch der einzige Anwohner, der sich gestört gefühlt hat, das muss man ehrlich sagen.
Vollstreckt Corona jetzt, was der Anwohner mit seiner Klage nicht geschafft hat?
Ich hoffe nicht! Wir gehen fest davon aus, dass wir 2021 wieder in Berlin sein werden. Aber eine 100-prozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht. Ich habe gehört, dass hier bei uns bereits der komplette Karneval für nächstes Jahr abgesagt worden ist. Allerdings habe ich das noch nirgendwo gelesen.
Ist auf dem Rüdesheimer Platz ohne die Winzer jetzt tote Hose?
Wie ich von Freunden in Berlin höre, ist da nach wie vor relativ viel los. Ich kriege auch immer mal wieder Bilder geschickt. Wir beliefern ja jetzt zwei Restaurants am Rüdesheimer Platz mit Wein.
Coronabedingt?
Ja. Die haben das von sich aus forciert.
Die Lokale profitieren davon, dass die Winzer nicht kommen dürfen?
Könnte man so sagen (lacht). Die Leute zieht es nach draußen. Sie können sich dann an diesen beiden Stellen auch Weine von uns kaufen und damit in den Park gehen. Oder mit eigenen Getränken, wie es passt.
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