Entschädigung nach 40 Jahren

Der Bundesanwalt stellt Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat ein – und spricht von rechtem Terrorakt

Von Konrad Litschko

Es hat alles nichts geholfen. Mehr als 1.000 ZeugInnen befragten die ErmittlerInnen noch mal, prüften 770 Spuren, durchforsteten gut 300.000 Aktenseiten. Nun hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 wieder eingestellt – ohne neue Erkenntnisse zu möglichen MittäterInnen. Aber mit einer neuen Bewertung: Die Tat war eindeutig rechtsextrem.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nannte es „sehr enttäuschend“, dass die Hintergründe des Attentats knapp 40 Jahre später nicht mehr vollständig aufgeklärt werden konnten. Schuld seien die „massiven Verfehlungen“ in den Ermittlungen direkt nach der Tat. Aber: „Es ist wichtig, dass die Tat nun endlich auch offiziell als das benannt wird, was sie war: ein rechtsextremer Terrorakt.“ Auch die Münchner Opferberatungsstelle Before sprach von weiter „vielen offenen Fragen“ – allen voran die nach der Rolle rechter Netzwerke.

Am 26. September 1980 hatte der rechtsextreme Student Gundolf Köhler eine Bombe am Haupteingang zum Münchner Oktoberfest gezündet. 13 Menschen starben, darunter auch Köhler, mehr als 221 wurden teils schwer verletzt. Früh gab es Zweifel, ob Köhler allein handelte. Die Ermittlungen aber wurden 1982 eingestellt – und benannten ihn als Einzeltäter.

Ende 2014 jedoch meldete sich eine Zeugin, die angab, am Tag nach dem Attentat in einem Münchner Aussiedlerheim im Schrank eines Bewohners Flugblätter gesehen zu haben, die Köhler als Attentäter benannten – was damals noch nicht öffentlich bekannt war. Daraufhin nahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf. Nun, gut fünf Jahre später, sind sie weitgehend ergebnislos wieder eingestellt.

Dabei hatten sich die ErmittlerInnen durchaus bemüht, wie allein die Zahl der befragten ZeugInnen zeigt. Auch sämtliche Sicherheitsbehörden wurden um Aktenzulieferungen gebeten. Anhand von 2.600 Tatortfotos wurde der Eingang des Oktoberfestes mittels eines 3-D-Modells rekonstruiert. Hinweise auf MittäterInnen aber brachte all das nicht. „Nach Ausschöpfung aller erfolgversprechenden Ermittlungsansätze“ gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte für MittäterInnen oder AnstifterInnen, erklärte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch.

Aussagen von ZeugInnen, die Begleiter von Köhler am Tatort gesehen haben wollen, hätten sich nicht bestätigt. Auch eine gefundene Hand gehöre wohl zu Köhler, an dessen Leiche beide Hände fehlten. Dies habe zwar „nicht mit letzter Gewissheit“ geklärt werden können, es gebe aber keine Hinweise auf andere Personen mit abgetrennten Händen. Auch die Aussage einer Frau zu einem entsprechend behandelten Mann im Klinikum Hannover habe sich nicht bestätigt.

Der Hinweis der Zeugin mit den Flugblättern im Spind habe sich, vor allem zeitlich, ebenfalls nicht erhärtet. Gleiches gelte für Aussagen zu Mitfahrern in Köhlers Auto auf dem Weg zum Tatort. Zwei Freunde wiederum, denen der Student von Überlegungen zum Anschlag auf das Oktoberfest erzählte, hätten dies nicht ernst genommen.

Auch eine Tatbeteiligung der Wehrsportgruppe Hoffmann, zu der Köhler Kontakt hatte, konnte die Behörde nicht nachweisen. Die Bekenntnisse zweier Mitglieder, am Attentat beteiligt gewesen zu sein, seien unwahr: Beide Männer seien zur Tatzeit nicht in München gewesen, einer machte seine Aussage „erheblich“ betrunken.

Neu indes ist die Bewertung des Tatmotivs. Köhler handelte „aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus“, hält die Bundesanwaltschaft nun fest. Dies folge aus seinen rechtsextremen Kontakten, seinen Äußerungen vor der Tat, die Bundestagswahl zu beeinflussen sowie seinem „Wunsch nach einem dem nationalsozialistischen Vorbild folgenden Führerstaat“. Persönliche Gründe, wie zuvor angeführte Depressionen oder Liebeskummer, stellten das politische Motiv nicht in Frage.

Die Einschätzung hat Folgen: Nun können die Opfer auch Entschädigungen für Betroffene extremistischer Gewalt vom Bundesamt für Justiz erhalten. Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte Gespräche über eine „Solidarleistung“: „Wir sind der Auffassung, dass das Leid der Betroffenen des Oktober­fest­attentats weitere Anerkennung durch den Staat erfahrensollte.“