: Diskriminierung nicht ausgeschlossen
Die Rechtslage beim Racial Profiling ist weder einfach noch eindeutig. Warum es sinnvoll ist, diesen Aspekt innerhalb der Polizei genauer zu untersuchen
Aus Opposition und Wissenschaft kommt breite Kritik an der Entscheidung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), auf eine Studie zum Racial Profiling bei der Polizei zu verzichten. Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte am Dienstag im BR, sie finde dessen Begründung „abenteuerlich, dass er sagt, Racial Profiling werde ja weder praktiziert noch sei es erlaubt, und deswegen brauchte man dazu auch keine Studie“. Der Hamburger Polizeiforscher Rafael Behr kritisierte, Seehofer habe auf höchster Ebene Forschung verhindert. (taz)
Von Christian Rath
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will Rassismus bei der Polizei nicht untersuchen, weil es hierfür keinen Bedarf gebe. Racial Profiling sei ohnehin nicht erlaubt, erklärte sein Ministerium. Die Rechtslage ist allerdings deutlich komplexer, als der Minister denkt. Eine Untersuchung der Praxis könnte daher auch für Seehofer interessant sein.
Von Racial Profiling spricht man, wenn die Hautfarbe ausschlaggebender Anlass für eine Polizeikontrolle ist. Dies ist eindeutig verboten. Umstritten ist aber, was gilt, wenn die Hautfarbe des Betroffenen nur Teil eines „Motivbündels“ der kontrollierenden Polizisten war.
Möglich sind problematische Kontrollen vor allem dort, wo die Polizei anlasslos kontrollieren darf. Bei der Bundespolizei sind dies insbesondere Kontrollen zur Verhinderung der unerlaubten Einreise. So darf die Bundespolizei in Zügen, Bahnhöfen und in Flughäfen ebenso anlasslos kontrollieren wie im „Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“.
Auch in den Polizeigesetzen der Länder gibt es Rechtsgrundlagen für anlasslose Kontrollen, insbesondere an Kriminalitätsschwerpunkten oder sogenannten gefährlichen Orten. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin plant gerade, die Regelung für „kriminalitätsbelastete“ Orte etwas zu entschärfen. Es soll nicht mehr genügen, dass sich an einem derartigen Ort „Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen“.
Tatsächlich beruft sich die Polizei bei umstrittenen Kontrollen fast nie auf die Hautfarbe des Betroffenen, sondern auf „Lagebilder“ und „polizeiliches Erfahrungswissen“. Danach liegen bestimmte Kriminalitätsfelder, zum Beispiel der Drogenhandel in bestimmten Parks und Straßen, „klar erkennbar in den Händen bestimmter Ethnien“, so der Bremer Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Lüder Fasche. Bei Kontrollen wegen „unerlaubter Einreise“ liegt es ohnehin nahe, dass gezielt Menschen kontrolliert werden, die nicht mitteleuropäisch aussehen.
Menschen mit dunkler Hautfarbe müssen daher in entsprechenden Parks und Straßen, in Zügen und Bahnhöfen ständig mit Kontrollen rechnen. Sie fühlen sich stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Kontrollen, die mutmaßlich etwas mit ihrem Aussehen zu tun haben, geben ihnen ein Gefühl, dass sie nicht richtig dazugehören, auch wenn die Überprüfung jeweils ergebnislos verläuft.
Wer glaubt, dass er wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde, kann allerdings beim zuständigen Verwaltungsgericht gegen die Maßnahme klagen. Gut möglich, dass die Polizei dann behauptet, die Hautfarbe habe bei der Kontrolle gar keine Rolle gespielt. Wenn das Gericht der Polizei glaubt, ist die Prüfung zu Ende. Oft sind aber die Begründungen der Polizei nicht überzeugend, dann stellt das Gericht eine Ungleichbehandlung wegen der Hautfarbe fest.
In einem zweiten Schritt wird dann von den Gerichten noch geprüft, ob die Ungleichbehandlung zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gerechtfertigt war. Das OVG Koblenz stellte 2016 bei der Prüfung einer Zug-Kontrolle darauf ab, dass anlasslose Kontrollen in Zügen fast nie unerlaubte Einreisen zutage bringen. Die Erfolgsquote liege im Promille-Bereich. Anlasslose Kontrollen seien deshalb rechtswidrig, wenn dabei auch die Hautfarbe eine Rolle spiele. Klagen gegen Racial Profiling können also durchaus erfolgreich sein.
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