Büchnerpreis geht an Elke Erb: Unverdrossene Sprach-Aufklärerin

Die Lyrikerin und Übersetzerin Elke Erb erhält den renommierten Büchnerpreis. Sie verwirklichte die Freiheit der Sprache auch in der DDR.

Potrait der Autorin Elke Erb, eine alte Frau mit grauen Haaren, die bis zur Wange reichen. Sie trägt eine Brille mit Brillenband um den Nacken.

Verwirklicht „Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache“: Elke Erb Foto: gezett/imago

DARMSTADT epd | Der Georg-Büchner-Preis 2020 geht an die Schriftstellerin und Übersetzerin Elke Erb (82). Die in der Eifel geborene und in Berlin und im sächsischen Wuischke lebende Autorin werde für ihr „unverwechselbares und eigenständiges schriftstellerisches Lebenswerk“ geehrt, teilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am Dienstag in Darmstadt zur Begründung mit.

Erbs poetischer Sachverstand, der sich auch in ihrer reichen übersetzerischen Arbeit zeige, habe mehrere Generationen von Dichterinnen und Dichtern in Ost und West beeinflusst.

Zuletzt erschienen von Erb die Textsammlung „Sonnenklar Meins: Das Hündle kam weiter auf drein“ (2018) und der Gedichtband „Gedichtverdacht“ (2019). Der mit 50.000 Euro dotierte Büchner-Preis gilt als bedeutendste literarische Auszeichnung im deutschen Sprachraum und wird am 31. Oktober in Darmstadt verliehen.

Die Jury lobte vor allem Erbs Lyrik. Ihre Gedichte zeichneten sich durch eine prozessuale und erforschende Schreibweise aus, in deren Verlauf die Sprache zugleich Gegenstand und Mittel der Untersuchung sei. Ihr gelinge es wie keiner anderen, „die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert“. Für die „unverdrossene Aufklärerin“ sei Poesie eine „politische und höchstlebendige Erkenntnisform“.

Erbs erste Buchveröffentlichungen waren „Gutachten, Poesie und Prosa“ (1975) und „Der Faden der Geduld“ (1978). Auswahlbände von ihr erschienen parallel im Westen. Anfang der 80er Jahre nimmt sie Kontakt zur unabhängigen Friedensbewegung auf. Ihre Arbeit an einer Anthologie „inoffizieller Literatur“ und ihr Protest gegen die Ausbürgerung des Bürgerrechtlers Roland Jahn führten zur Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst.

Berührung ist nur eine Randerscheinung

Gemeinsam mit Sascha Anderson gab sie 1985 die Anthologie neuerer Literatur in der DDR „Berührung ist nur eine Randerscheinung“ heraus, die jedoch nur in der Bundesrepublik erscheinen konnte. 1987 veröffentlichte Erb den von der Kritik als epochal bezeichneten Band „Kastanienallee. Texte und Kommentare“, wofür sie den mit 15.000 Mark dotierten Peter-Huchel-Preis erhielt.

Erb legt hier die Methodik ihrer prozessualen Schreibweise offen, indem sie jedes Gedicht mit einem Kommentar begleitet – eine Form der poetischen Selbst- und Welterkundung, die zum besonderen Merkmal der Erbschen Texte wird, wie es hieß.

Nach der Wende veröffentlichte die Autorin 1991 den Prosatext „Winkelzüge oder Nicht vermutete, aufschlussreiche Verhältnisse“, 1995 politische, autobiografische und poetologische Reflexionen in dem Band „Der wilde Forst, der tiefe Wald. Auskünfte in Prosa“ sowie zahlreiche Gedichtbände.

Übersetzungen aus dem Russischen

Erb wurde am 18. Februar 1938 in dem kleinen Eifeldorf Scherbach geboren. 1949 übersiedelte sie mit der Familie nach Halle in die DDR um. Nach dem Studium der Germanistik, Slawistik und Pädagogik arbeitete sie von 1963 bis 1965 als Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag. Seit 1966 ist sie freiberuflich als Schriftstellerin und Übersetzerin vorwiegend aus dem Russischen tätig.

Ihr reichhaltiges Werk versammelt Lyrik, Kurzprosa, prozessuale Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen und Herausgaben. Sie wurde vielfach geehrt, unter anderen mit dem Peter-Huchel-Preis 1988, dem Ernst-Jandl-Preis 2013 und dem Mörike-Preis der Stadt Fellbach 2018.

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