: Äthiopische Verdächtigungen
Die schweren Unruhen in Äthiopien nach dem ungeklärten Mord am Oromo-Musiker Hachalu Hundessa haben über 160 Tote gefordert. Ministerpräsident Abiy spricht von interner und externer Destabilisierung
Von Ilona Eveleens, Nairobi
Obwohl in Äthiopien nach dem Mord an dem populären Sänger Hachalu Hundessa die Ruhe einigermaßen wieder eingekehrt ist, bleibt die Lage sehr angespannt. Bei den Krawallen vorige Woche kamen mehr als 160 Menschen ums Leben und mehr als 150 wurden verletzt. Ungefähr 1.200 Menschen, unter ihnen Oppositionspolitiker, sind verhaftet worden.
Fünf Menschen sind unter dem Verdacht des Mordes an dem populärsten Sänger der größten äthiopischen Volksgruppe der Oromo festgenommen worden. Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed, selbst ein Oromo, glaubt, dass der Mord ein koordinierter Versuch war, um Äthiopien zu destabilisieren und in einen Bürgerkrieg zu stürzen.
Er nannte in einer Fernsehansprache zu diesem Thema am Freitag keine Namen, aber andere in den Behörden zeigen auf die Oromo-Befreiungsarmee (OLA), eine Rebellengruppe, die für einen unabhängigen Oromo-Stadt eintritt. OLA glaubt nicht an die multiethnische Gesellschaft, die Äthiopien jetzt ist.
Radikale Oromo sind enttäuscht, weil Abiy sie nicht bevorzugt, sondern ein Premierminister sein will für alle Äthiopier, unabhängig von ihrer Ethnie – das Land zählt 80 verschiedene Volksgruppen. Als Hachamu Hundessa am vergangenen Donnerstag in seiner Heimatstadt Ambo beigesetzt wurde, kam es zu Zusammenstößen zwischen Oromo-Demonstranten und der Armee; mehrere Menschen wurden erschossen. Oromo-Politiker hatten gefordert, den Musiker in der äthiopischen Hauptstadt zu beerdigen.
Aber auch die Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF) wird verdächtigt. Die ehemalige Guerilla der Tigray, eine kleine ethnische Gruppe, hatte Äthiopien seit 1991 regiert und verfügte bis zu Abiys Amtsantritt 2018 über die größte Macht in Regierung und Militär. Seit Abiys Amtsantritt haben viele Tigrayer ihre Posten verloren.
Abiy vermutet auch ausländische Kräfte hinter dem Mord. „Die externen und internen Kräfte, die nicht erfolgreich waren mit der Angelegenheit des Großen Äthiopischen Renaissance-Staudammes, haben alles versucht, um Chaos in dieser Zeit zu kreieren“, sagte der Ministerpräsident. Damit zielt er womöglich auf die Spannungen mit Ägypten über den Bau des Staudammes am Blauen Nil, der der größte in Afrika werden soll. Kairo fürchtet, dass dadurch bedeutend weniger Wasser im Blauen Nil fließen wird – der wichtigste Zubringer des Nils, der überlebenswichtig ist für die Landwirtschaft des trockenen Ägypten. Seit Äthiopien angekündigt hat, den Staudamm unabhängig von einer Vereinbarung mit Ägypten zu füllen, sind die regionalen Beziehungen sehr angespannt.
Am Wochenende haben Ägypten und Äthiopien mit Sudan, wo Blauer und Weißer Nil zusammenströmen, wieder Gespräche geführt über die Sache. Die Angst wächst, dass es zu einem Wasserkrieg kommen könnte. Erhofft wird eine Vermittlung der Afrikanischen Union (AU), die ihren Sitz in Äthiopien hat und deren Vorsitz 2019/2020 von Ägypten gehalten wurde.
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