Deutsche Rüstungsexporte in die Türkei: Lieber Waffen als Ärger

Im vergangenen Jahr haben deutsche Unternehmen für 344 Millionen Euro Kriegswaffen in die Türkei exportiert – trotz aller Kritik an Präsident Erdoğan.

Auf einem aus Pappe ausgeschnittenen Panzer steht: "„Legt den Leo an die Kette“"

Mai 2020: Anti-Rüstungsdemo in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Im Rüstungsexportbericht für das vergangene Jahr erscheint die Türkei nicht mehr unter den zehn besten Kunden der deutschen Waffenindustrie. Rüstungsgeschäfte im Gesamtwert von 31 Millionen Euro genehmigte die Bundesregierung im Jahr 2019 für das Land am Bosporus. Der Wert lag damit zwar mehr als doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. Im Schnitt der letzten zehn Jahre hatte er aber noch deutlich mehr betragen: knapp 80 Millionen Euro pro Jahr.

Neben den genehmigten Exporten gibt es aber noch eine andere interessante Größe: Die deutschen Unternehmen haben 2019 Kriegswaffen (darunter fallen nicht alle Rüstungsgüter, sondern nur Produkte wie Panzer, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und Maschinengewehre) im Gesamtwert von 344 Millionen Euro in die Türkei exportiert – das Vierfache des Zehnjahresdurchschnitts. Über diese Zahlen berichtete in der vergangenen Woche die Deutsche Presseagentur (dpa) unter Berufung auf als vertraulich eingestufte Unterlagen der Bundesregierung.

Wie der Unterschied zwischen den beiden Werten zustande kommt? Nachdem eine Exportgenehmigung erteilt ist, kann es vor allem bei komplexeren Waffensystemen einige Jahre dauern, bis das Produkt fertiggestellt ist und ausgeliefert werden kann. Theoretisch könnte die Bundesregierung den Export dann zwar immer noch verhindern und ihre ursprünglich erteilte Genehmigung zurückziehen. In dem Fall müsste sie den betroffenen Unternehmen aber gegebenenfalls den entstandenen Schaden erstatten.

Der Rekordwert bei den Exporten im Jahr 2019 geht also auf die hohen Werte bei den Genehmigungen in früheren Jahren zurück. Laut dpa handelte es sich bei den Lieferungen ausschließlich um Kriegswaffen im „maritimen Bereich“. Wahrscheinlich geht es um U-Boote, deren Verkauf an die türkische Marine die Bundesregierung schon vor Jahren genehmigt hatte.

Besorgte Blicke, Bizness as usual

Sie wären wohl geeignet, um zum Einsatz zu kommen, wenn beispielsweise der Konflikt der Türkei mit Griechenland um Gasfelder im östlichen Mittelmeer eines Tages eskalieren sollte. Auf diesen Konflikt schaut man in der Bundesregierung ähnlich besorgt wie auf die Kriege in Syrien und Libyen, wo die Türkei durch ihre Interventionen ihren Einfluss stark ausgebaut hat.

Auf der anderen Seite hofft die Bundesregierung immer noch darauf, wieder mit der Erdoğan-Regierung ins Gespräch zu kommen – unter anderem, weil sie die Türkei nicht endgültig als Bündnispartner verlieren möchte und auch, weil sie mit Blick auf die Millionen türkischstämmiger Menschen in Deutschland einen dauerhaften Konflikt verhindern möchte. Neben den wirtschaftlichen Gründen könnte sie auch das dazu bewogen haben, die Waffenlieferungen des vergangenen Jahres nicht zu stoppen.

Die Opposition im Bundestag ist von dieser Strategie allerdings nicht überzeugt. „Wann hört diese Beihilfe endlich auf?“, fragte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen in der vergangenen Woche auf Twitter. Die Waffenlieferungen könne Präsident Erdoğan „nur als Ermutigung verstehen, weiter zu zündeln“. Die Exporte seien daher „schlicht unerträglich“.

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