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Nach Corona-Ausbruch bei TönniesLockdown im Kreis Gütersloh

Armin Laschet (CDU) hat für den Kreis Gütersloh einen Lockdown verhängt. Dem Fleischverarbeiter Tönnies wirft er mangelnde Kooperationsbereitschaft vor.

Testkapazitäten sollen für die Region massiv ausgeweitet werden Foto: reuters/Leon Kuegeler

Gütersloh/Düsseldorf dpa | Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies schränken die NRW-Behörden das öffentliche Leben im Kreis Gütersloh massiv ein. Erstmals in Deutschland werde ein gesamter Kreis wegen des Corona-Infektionsgeschehens wieder auf die Schutzmaßnahmen zurückgeführt, die noch vor einigen Wochen gegolten hätten, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag in Düsseldorf. Im Kreis Gütersloh handele es sich um das bisher „größte Infektionsgeschehen“ in NRW und in Deutschland.

Grund für den Schritt ist der Corona-Massenausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies. Beim Schlachtbetrieb des Marktführers im westfälischen Rheda-Wiedenbrück hatten sich mehr als 1.550 Beschäftigte nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Der Lockdown gelte zunächst für eine Woche.

Bis zum 30. Juni werde man dann mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe, sagte Laschet. Bisher gebe es hier nur 24 nachgewiesene Infektionen. Die Behörden werden die Tests in der Bevölkerung zudem massiv ausweiten, betonte der Regierungschef.

Rund 7.000 Mitarbeiter stehen mitsamt ihren Familien seit einigen Tagen unter Quarantäne. Die Einhaltung der Quarantäne-Maßnahmen gestaltet sich aber schwierig. Die nordrhein-westfälische Landesregierung habe drei Einsatzhundertschaften der Polizei in den Kreis Gütersloh geschickt, sagte Laschet.

Schulen und Kitas waren bereits geschlossen worden

Die Polizisten sollten die Quarantäne der Mitarbeiter von Tönnies kontrollieren. Die Polizei werde die mobilen Testteams begleiten. Zur Not müssten die Behörden auch mit Zwang die Anordnungen durchsetzen. Es werde auch zusätzliche humanitäre Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen geben.

Laschet warf dem Branchenriesen außerdem mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Daher hätten die Behörden die Herausgabe von Daten der Werkarbeiter von Tönnies durchgesetzt. „Da wurde nicht mehr kooperiert, da wurde verfügt“, sagte Laschet am Dienstag in Düsseldorf.

Die Kooperationsbereitschaft bei Tönnies „hätte größer sein können“. Dass das Unternehmen den Datenschutz angeführt habe, sei kein Argument. Aus Infektionsschutzgründen wäre Tönnies gesetzlich verpflichtet gewesen, die Daten der Beschäftigten zu übermitteln, sagte Laschet.

Schulen und Kitas im Landkreis Gütersloh mit rund 370.000 Einwohnern waren bereits geschlossen worden. Für die größte deutsche Fleischfabrik war zudem ein vorübergehender Produktionsstopp verhängt worden. Auch im Kreis Warendorf werde es Einschränkungen geben.

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12 Kommentare

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  • Fleischverarbeitung. [...] Der Mensch braucht erwiesenermaßen kein Fleisch um gut zu leben. Fleisch aus der Industrie ist in höchstem Maße unmoralisch, gefährlich, umweltbelastend, dekadent und ekelhaft. Machen wir uns nichts vor.

     

    Die Moderation: Bitte keine KZ-Vergleiche.

  • Aufklärung über die Verbrechen der Fleischindustrie im Konsumparadies.

    Für die Aufklärung über die Ausbeutung in der Fleischindustrie und im deutschen Konsumparadies!

    Wer trägt die Kosten in Millionenhöhe?

    Die gesamten Kosten für die entstehenden Maßnahmen müssten von den privaten Eigentümern der Firma getragen werden.

    Ebenso bedürfte es eine präzise Berechnung für die in den zurückliegenden Jahrzehnten unterschlagenen anteiligen Arbeitslöhne. Dabei mit Bezug, entsprechend dem Einsatz der Arbeitskräfte, auf die tatsächlichen Tariflöhne für vergleichbare Arbeit. Ebenso, keine Lohnnachzahlungen unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns.

    Die unterschlagenen, bzw. vorsätzlich falsch und rechtswidrigen Arbeitslöhne müssen an die Lohnabhängigen nachgezahlt werden. Gleiches gilt so auch für die Sozialbeiträge und Steuern. Hier darf es keinen (faulen) Kompromiss zum Nachteil der Arbeiter und der Gemeinschaft der SteuerzahlerInnen geben.

    Auch die Arbeiter der Fleischindustrie haben einen berechtigten rückwirkenden Anspruch auf die vom jeweiligen Unternehmen unterschlagenen Sozialleistungen und gesetzlichen Rentenbeiträge.

    PS: In Erwartung einer rückwirkenden juristischen, strafrechtlichen und arbeitsrechtlichen Aufklärung und einer nachhaltigen finanziellen Entschädigung für die ausgebeuteten Arbeiter und Arbeiterinnen der deutschen Fleisch- und Konsumindustrien!

  • Dann ist man meinem Beitrag an anderer Stelle schon zuvor gekommen. Zusätzlich verkündet Wieler eine Verdoppelung der Ansteckungszahl R von 1 auf 2. Klar, lockdown! Ich bin mal gespannt, wie die Bevölkerung Düsseldorfs abschneidet. Erst vier Tage nach Samstag dürfte ein Anstieg frühestens zu sehen sein. Wieler hat noch Frau Buchela befragt.

  • Könnt ihr bitte aufhören sowas "Lockdown" zu nennen? Wenn ich mit Mitgliedern meines Haushaltes in ein Restaurant darf - bzw nur in den nächsten Kreis fahren muss - und darf - um jeglichen Maßnahmen komplett zu entkommen gibt es - wie schon die ganze Zeit - keinen Lockdown.

  • Spät dran wie immer Herr Laschet der am liebsten niemand wehtun möchte um ja Kanzler zu werden.

  • Tönnies ist ein guter Freund von Dietmar Hopp, mal ganz wertungsfrei. Den Betroffenen Corona-Infizierten wird angeblich ein zweiter Test verweigert, auch auf eigene Kosten.

    Ich lese jetzt Märchenbücher, ab und zu brauch ich mal was vernünftiges. Das hältste ja im Kopf nicht aus, dieses offensichtliche Schmierentheater.

  • Liebes taz-Team,

    ich bitte Euch, in diesem Zusammenhang keine beschönigenden Worte für die Branche von Tönnies wie "Fleischverarbeiter" oder "Fleischfabrik" zu verwenden. Auf Wikipedia wird z. B. auch das Wort "Schlachtbetrieb" verwendet.

    Im Zweifelsfall die dpa-Meldung ändern.

    • @shashikant:

      Oder Tierq... , Sch... er der Schöpfung oder soetwas. Nur weil es teilweise legal ist, so sind diese "Haltungsformen" von Lebewesen trotzdem abartig und wider jedem Anstand. Der müsste mal als Tier in der von ihm geschaffenen Hölle wiedergeboren werden. Und wenn er es könnte würde er die osteuropäischen Arbeitskräfte warscheinlich auch noch schlechter, oder gar nicht bezahlen. Knapp 50.000 Schweine am Tag. Wieviele Tiere werden jedes Jahr verspeist? Was für wundervolle Tiere werden was für nichtsnutzigen Menschen gefressen... Wer ist hier wohl garantiert NICHT die Krone der Schöpfung?

      • @5ender:

        Ich stimme mit Ihnen überein.



        Man versteht Menschen wie Tönnies nicht, und nichts von dem, was dort passiert, ist akzeptabel.



        Es ist noch ein weiter Weg. Viel Erfolg!

  • Der Lockdown im Kreis Gütersloh ist jetzt wohl so ziemlich das einzige, das man noch tun kann. Die Frage, warum man dem kriminellen Treiben in der Fleischindustrie nicht längst mal Einhalt geboten hat, bevor es nun indirekt zu einem Hotspot nach dem anderen geführt hat, diese Frage wurde mit dem Lockdown leider nicht beantwortet - oder?

  • Zu spät, zu wenig. Der Nachbar-Kreis Warendorf ist mindestens so betrofffen wie Gütersloh. hier passiert nix.

  • „Lockdown“ heißt eigentlich Ausgangssperre und Hausarrest für alle. Das gab es in Deutschland noch nie und auch jetzt nicht.

    Ich finde es schon sehr wichtig, hier nicht einfach mit solchen Worten um sich zu werfen, sondern sich als Journalist einer exakten Sprache zu bedienen.