Tauschen statt Bauen

Ein Positionspapier der Grünen mit dem Vorschlag, Wohnungen zu tauschen, um zugunsten des Klimas den Flächenverbrauch zu reduzieren, sorgt für einen Shitstorm

Vor allem in diesen typischen Altbremer Häusern leben vergleichsweise wenige Menschen auf sehr viel Fläche Foto: Ingo Wagner/dpa

VonEiken Bruhn

Für große Aufregung sorgt ein vergangene Woche veröffentlichtes Positionspapier der Fraktion der Grünen in der Bürgerschaft zur Wohnungspolitik. Es geht darin um das Thema geringerer Flächenverbrauch aus Klimaschutzgründen. Ein Punkt dabei betrifft Bremer*innen, die nach dem Auszug ihrer Kinder weiterhin in ihren sehr großen Wohnungen leben. Die Grünen schlagen vor, dass sie diese mit jungen Familien tauschen könnten, die größere Wohnungen brauchen.

Die CDU-Fraktion sieht in dem Vorschlag die „freiheitliche Gesellschaft“ durch „verordnete Umverteilung“ in Gefahr, die FDP befürchtet eine „öko-sozialistische Umsiedlung“ und fühlt sich an die DDR erinnert. Und Klaus Möhle, der erst für die Grünen, dann für die SPD in der Bürgerschaft saß, wettert auf Facebook gegen die Grünen, die Alte wie ihn angeblich zum Umziehen nötigen wollen. „Wir werden so schon zu oft an den Rand und in Alteneinrichtungen gedrängt“, schreibt er, und: „Ihr könnt mich mal.“

Dabei wollen die Grünen weder ihn noch Margitta Schmidtke, eine weitere ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete aus ihren Wohnungen werfen, wie diese ebenfalls auf Facebook ihrer Angst Luft macht. „Wir wollen niemandem etwas wegnehmen“, beruhigt Philipp Bruck, klimapolitischer Sprecher der Grünen, der das Papier mit verfasst hat. „Es geht nur um Leute, die freiwillig umziehen wollen.“ Die gebe es tatsächlich, auch unter Grünen-Wählern.

Daran allerdings zweifelt Sönke Böhrnsen, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Sohn des ehemaligen SPD-Bürgermeisters Jens Böhrnsen. Unter Möhles Facebook-Eintrag schrieb er: Die Grünen würden gewiss nicht „an die Klientel aus Schwachhausen und Ober­neuland“ denken, „die auch im Alter im Geld schwimmen und davon sowieso nicht betroffen sein werden“.

Die Grünen beziehen sich in ihrem Positionspapier indes auf eine repräsentative bundesweite Umfrage eines Immobilienunternehmens. „Danach gaben fast zwei Drittel der älteren Bremer*innen an, dass sie bereit sind, in kleinere Wohnungen umzuziehen – damit würden laut Erhebung 800.000 Quadratmeter Wohnraum frei“, heißt es in dem Papier. Und: „Häufig sind sie aber gezwungen, in einer viel zu großen Wohnung zu bleiben, deren Unterhaltung eigentlich kaum zu leisten ist, und die häufig nicht barrierefrei ist.“ Das Problem sei, dass es zu wenig kleinere Wohnungen gebe – und diese häufig sogar teurer seien als die großen, weil sich die Mieten so rasant entwickelt hätten.

Die Grünen schlagen nun vor, für das Thema Zusammenhang zwischen Klimaschutz und geringerem Flächenverbrauch zu sensibilisieren und eine Beratungsstelle zum Thema flächensparendes Wohnen zu schaffen. Zudem sollten Umbauten – Verkleinerungen und das Abtrennen von Wohnungen – und Umzüge finanziell gefördert werden.

Eine Tauschbörse, in der auch Wohnungen von der Gewoba und von Brebau Immobilien enthalten sein sollen, soll Ringtäusche ermöglichen. Dabei solle geprüft werden, ob es eine landesgesetzliche Regelung geben kann, die Mieter*innen einen Anspruch auf Wohnungstausch gewährt. Auf diese Weise könnten Mieterhöhungen bei Neuverträgen umgangen werden. Das funktioniert aber nur, wenn beide Tauschpartner*innen alte Verträge haben, die ähnliche günstige Mieten enthalten.

Die CDU befürchtet eine „verordnete Umverteilung“, die FDP eine „ökosozialistische Umsiedlung“ und Klaus Möhle (SPD) sagt: „Ihr könnt mich mal“

Die Grünen wollen sich auch für eine gesetzliche Regelung einsetzen, die es Vermieter*innen untersagt, die Personenzahl zu begrenzen. Denn viele Vermieter*innen wollen etwa Drei- und Vierzimmer-Wohnungen am liebsten an Singles oder Paare mit „maximal einem Kind“ vermieten, wie ein Blick auf die Wohnungsbörse auf „Schwarzes Brett Bremen“ zeigt.

Der Koalitionspartner SPD, der die Bremer Baupolitik seit Jahrzehnten maßgeblich bestimmt und ohne den keine dieser Maßnahmen umgesetzt werden könnte, findet vieles an dem Papier gut, wie ihr baupolitischer Sprecher Falk Wagner sagt. Um die Wohnungsnot effektiv zu bekämpfen, müsse aber weiter neu gebaut werden. „Wer das bestreitet, ist schiefgewickelt“, sagt er.

Deshalb sei ihm ein Absatz in dem Papier als „unangenehm naiv“ aufgestoßen. Darin heißt es, dass eine Politik des flächensparenden Wohnens die Chance biete, einen Grundkonflikt der Wohnungspolitik zu lösen: „Auf der einen Seite die Rufe nach mehr bezahlbarem Wohnraum und auf der anderen die Initiativen gegen Bebauung“, etwa der Galopprennbahn, die in einem Volksentscheid verhindert wurde. Wenn durch flächensparendes Wohnen der Bedarf an Neubauten reduziert würde, könne das „zur Entschärfung dieser Konflikte beitragen“, schrei­ben die Grünen.

Wagner findet, dass dies einer „Not-in-my-backyard-Mentalität“ in die Hände spiele. „Wenn Sie so argumentieren, dann kann zukünftig keine Wiese mehr bebaut werden, weil es immer Leute geben wird, die es besser finden, wenn überall, nur nicht vor ihrer Haustür gebaut wird.“