Prostitution und Polizei: Ein Schutz, der gefährdet

In Berlin sollen SexarbeiterInnen auf Kondome kontrolliert worden sein – als Indiz für illegale Sexarbeit. Die Polizei dementiert.

Immer wieder Anlass für politische Konflikte: der Straßenstrich in der Kurfürstenstraße Foto: imago images / Rolf Kremming

BERLIN taz | Auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße dürfte eigentlich gerade keine Sexarbeit angeboten werden – die Corona-Eindämmungsverordnung des Berliner Senats verbietet sexuelle Dienstleistungen. Dass dieses Verbot nicht alle abschreckt, davon kann man sich bei einem Gang durch das Viertel an der Potsdamer Straße überzeugen – zumindest sieht es für den Laien so aus.

Jetzt gibt es Kritik daran, wie die Polizei mit dieser Tatsache umgeht: Die Deutsche Aidshilfe twitterte am Dienstag, sie habe von einer Streetworkerin die Information bekommen, dass eine größere Gruppe von BeamtInnen am Montag mutmaßliche Prostituierte in der Kurfürstenstraße angesprochen hätte. Die Frauen seien aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen, anderenfalls werde man ihre Taschen auf Kondome kontrollieren – als Beleg für ihre Tätigkeit. Der taz gegenüber bestätigte die Streetworkerin dies.

Die Aidshilfe teilte auch den Tweet eines Transaktivisten, der diese Information nach eigenen Angaben ebenfalls erfahren hatte. Er schrieb, im Netzwerk „Trans*Sexworks“ habe man auch Kenntnis davon, dass eine Frau schon vor rund zwei Monaten durchsucht worden sei „und gefundene Kondome als ‚Beweis‘ gesehen wurden, dass sie Sexarbeiterin ist. Diese Praxis ist nichts Neues.“

Sollte das zutreffen, wäre es ein „Skandal“, findet Holger Wicht, der Sprecher der Deutschen Aidshilfe: Es „wäre in höchstem Maße schädlich, wenn Frauen in irgendeiner Form dafür negativ sank­tioniert werden, dass sie ein Kondom dabeihaben“, sagte er zur taz. „Ganz unabhängig von der Coronaverordnung ist es positiv zu bewerten, wenn Menschen sich vor Infektionen schützen, auch wenn sie in prekären oder sogar in nicht legalen Situationen handeln.“

In die Unsichtbarkeit gedrängt

So sieht es auch Lonneke Schmidt-Bink, die Leiterin des Frauentreffs Olga, der in der Kurfürstenstraße seit Jahren Sexarbeiterinnen, süchtige und obdachlose Frauen berät. Es sei aus sozialarbeiterischer Sicht schon fatal, dass das aktuelle Sexarbeitsverbot die Frauen in die Unsichtbarkeit dränge. Wenn die Polizei jetzt noch Taschen nach Kondomen kontrolliere, „kann das eine gesundheitliche Katastrophe werden“, so Schmidt-Bink. Die Berichte habe sie auch im Frauentreff gehört. Dort werden Kondome verteilt, die Frauen seien aber jetzt unsicher, ob sie diese mitnehmen sollten.

Grundsätzlich stünden derzeit deutlich weniger Frauen auf der Straße, sagt Schmidt-Bink. „Auch in der Beratungsstelle erreichen wir zurzeit weniger Frauen als sonst.“ Sie glaube aber nicht, dass tatsächlich viel weniger Frauen der Prostitution nachgingen. „Die meisten haben keine Wahl, weil sie süchtig sind oder weil sie als Ost­europäerinnen keine Grund­sicherung bekommen.“

Was ist nun dran an den Vorwürfen? Die Aidshilfe hatte schon am Dienstag bei der Polizei angefragt. „Uns wurde gesagt, das Social-Media-Team werde sich im Laufe des Dienstags auf Twitter dazu äußern“, sagt Holger Wicht. Dort passierte aber nichts. Eine Anfrage der taz ließ die Polizei am Mittwoch ebenfalls unbeantwortet.

Am Donnerstagmorgen dementierte ein Sprecher dann gegenüber der taz, dass es am vergangenen Montag einen Einsatz im Gebiet der Kurfürstenstraße gegeben habe – wörtlich: „Da muss jemand den Tag verwechselt haben.“

Grundsätzlich führe die Polizei in diesem Gebiet regelmäßig verdachtsunabhängige Personenkontrollen auf Basis des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) durch, aktuell aber auch, weil die geltende Corona-Eindämmungsveordnung jede Form der Prostitution verbiete. Dabei würden auch Taschen auf Waffen- oder Drogenbesitz durchsucht. „Nach Verhütungsmitteln sucht die Polizei definitiv nicht“, sagte der Sprecher.

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