petition der woche
: Die Kirche(n) im Dorf lassen und die Braunkohle in der Erde

Anlass der Petition

Der Abriss der Kirche von Keyenberg

Das wollen die Initiatoren

Die Kirche(n) sollen im Dorf bleiben

Das wollen sie nicht

Braunkohle­abbau um jeden Preis

Wenn in Deutschland eine Kirche verkauft oder abgerissen wird, ist der Grund meistens die sinkende Zahl der Gläubigen. Dass einem Gotteshaus einer lebendigen Gemeinde dieses Schicksal widerfährt, ist eher ungewöhnlich. Doch in Keyenberg passiert genau das: „Wir haben hier eine wunderschöne Kirche“, sagt Helmut Kehrmann, „sie steht nur am falschen Ort.“ Denn der neugotische Turm der Heilig-Geist-Kirche ragt bloß wenige hundert Meter von dem entfernt in die Höhe, was sie hier nur „das Loch“ nennen – den Menschen, die nicht aus dem Kreis Erkelenz kommen, besser bekannt als Garzweiler II. Und während der Hambacher Forst bleibt, darf hier noch bis 2038 Braunkohle abgebaut werden.

Ihr Turm ist noch immer Mittelpunkt des Dorfs, doch die Kirche von Keyenberg ist verkauft. Genauso wie die Gotteshäuser der benachbarten Orte Kuckum und Berverath. Seit September 2019 gehören sie dem Energiekonzern RWE. Wie 80 Prozent der Grundstücke hier. Um die darunterliegende Braunkohle abzubauen, sollen die Häuser ab 2023 abgerissen werden. Ihre ehemaligen Bewohner werden zu dem Zeitpunkt schon im neugebauten Umsiedlungsgebiet nördlich von Erkelenz leben. Dort soll es auch eine neue Kirche für sie geben – als Ersatz für die drei Gotteshäuser, die dann vom „Loch“ verschluckt worden sind.

Kehrmann will die Dörfer vor den Baggerschaufeln retten – mitsamt ihrer Gotteshäuser. Dazu hat er mit anderen die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ gegründet und Ende Juni eine Onlinepetition mit dem Titel „Kohle statt Kirche? Keine Entwidmung der Kirchen im Rheinischen Braunkohlerevier“ gestartet. Es geht ihnen nicht darum, den Verkauf rückgängig zu machen. Eine katholische Kirche ist ein heiliger Ort, der in einer feierlichen Zeremonie vom Bischof geweiht wird – und nur der Bischof kann das Gebäude wieder einer weltlichen Nutzung überführen, sie profanieren. Solange das nicht geschehen ist, darf eine Kirche nicht abgerissen werden. Deshalb hofft Kehrmann: „Wenn der Bischof sein Veto einlegt, bleibt unsere Kirche vielleicht stehen!“

Der Turm von Heilig-Geist ist für den Katholiken Kehrmann wichtiger Bezugspunkt. Doch auch für den Klimaschützer Kehrmann hat er Bedeutung. Denn „wenn die Kirche stehen bleibt, bleibt auch die Braunkohle in der Erde“. So sehen das auch seine Mitstreiter:innen. Als Christ:innen wollen sie ihren Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten. Sie sehen die Kirche in der Verantwortung, sich für den Umweltschutz zu engagieren und sich gegen den Energieriesen RWE zu stellen. Dass er als Rentner zum Klimaschützer werden würde, hätte er sich noch vor fünf Jahren nicht träumen lassen, sagt Kehrmann. Auf seiner ersten Klimademo war er mit 62, er protestierte im Hambacher Forst.

Das Bistum macht Kehrmann und seinen Mit­strei­ter:innen allerdings keine großen Hoffnungen. Auf Anfrage erklärte der Aachener Generalvikar, Andreas Frick, das Ganze sei ein „schmerzhafter Prozess“ für die Gemeindemitglieder. Das Bistum werde aber nicht versuchen, das durch eine bischöfliche Anordnung rückgängig zu machen. Schließlich sei die Umsiedlung politisch beschlossen. Es ist also unwahrscheinlich, dass sich der Bischof in letzter Minute den Baggern entgegenstellt. Cornelius Stiegemann