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Kein Wasser, keine Toiletten

In Hannover lebten Bauarbeiter unter schlimmen Bedingungen

Wenn die Coronakrise etwas Gutes hat, dann vielleicht dieses: Bevölkerung und Behörden reagieren teils sensibler auf miese Arbeits- und Wohnverhältnisse in ihrer Nachbarschaft. Was jahrelang bekannt war, aber gern übersehen wurde, kommt nun öfter ans Licht: Oft müssen meist ausländische Arbeitskräfte unter katastrophalen Bedingungen schuften. Das gilt für die Fleischproduktion ebenso wie für den Bau, wie ein Beispiel aus Hannover zeigt.

Am Dienstag erschienen Mitarbeiter des Gesundheits- und des Gewerbeaufsichtsamtes auf der Baustelle des ehemaligen „Maritim“-Hotels im Stadtzentrum. Sie stellten fest, dass rund 50 überwiegend aus Bulgarien stammende Beschäftigte, die mit der Entkernung des Gebäudes beauftragt sind, dort offenbar ohne Trinkwasser, ohne sanitäre Einrichtungen und ohne Waschmöglichkeiten hausten. Die Behörde untersagte weitere Übernachtungen unter diesen Voraussetzungen und beraumten, weil sie keinen der deutschsprachigen Ansprechpartner vorfanden, für den Folgetag ein weiteres Treffen an.

Dabei wurde das Bauunternehmen dazu verdonnert, eine Liste der Beschäftigten und ein Hygienekonzept vorzulegen. Die Arbeiter dürfen nur weiter auf der Baustelle nächtigen, wenn Klos und Duschen geöffnet werden und die Trinkwasserversorgung in Betrieb genommen ist. Ob die Vorgaben eingehalten werden, wollen die Ämter zeitnah überprüfen.

Eigentümer der Immobilie ist seit 2014 die Berliner „Intown“-Gruppe, ein Finanz­investor inmitten eines unübersichtlichen Geflechts aus Unterfirmen und Beteiligungen. Strategie des Unternehmen ist es, Immobilien in schlechtem Zustand an gut gelegenen Standorten zu erwerben, um sie dann zu sanieren und teuer zu vermieten oder zu verkaufen. Das „Maritim“ soll „Intown“ laut Vertrag mit der Stadt zu einem modernen Hotel umbauen, eigentlich will das Unternehmen lieber Büros bauen. Nach langem Stillstand haben die Arbeiten auf der Baustelle erst vor Kurzem begonnen.

Politiker reagieren empört auf die Vorkommnisse. Der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Lars Kelich, sagte, er habe nun kein Vertrauen mehr zu „Intown“. CDU-Mann Felix Semper spricht von „beschämenden Zuständen“. Reimar Paul

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