Gut für die Konjunktur, gut für Olaf Scholz

Rekordschulden und „solide Haushaltspolitik“: Der Finanzminister will es mit seinem Nachtragshaushalt allen recht machen – und gewinnt damit weiteren Rückhalt in der Partei

Finanzminister Scholz am Mittwoch in Berlin Foto: Markus Schreiber/ap

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

Was ein halbes Jahr für einen Unterschied machen kann: Im Dezember schien die Karriere von Olaf Scholz beendet zu sein. Beim Mitgliedervotum für den SPD-Vorsitz war er als hoher Favorit den Underdogs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans unterlegen. Und sein Markenzeichen, die Haushaltsdisziplin, stieß bei den neuen Parteichefs auf scharfen Widerspruch. Der Finanzminister und Vizekanzler war plötzlich die „rote Null“ der SPD, dessen Zeit abgelaufen schien.

Sechs Monate später ist Olaf Scholz wieder der starke Mann der SPD. In den Umfragen ist er mit Abstand der beliebteste Sozialdemokrat und hat jetzt wieder die besten Chancen, ihr Kanzlerkandidat zu werden. Und der Streit um die „schwarze Null“, also den von Scholz lange propagierten Verzicht auf neue Schulden, hat sich infolge der Coronakrise ohnehin erledigt. Im Gegenteil: Olaf Scholz nimmt mehr Schulden auf als alle seine Vorgänger.

Als er am Mittwoch den zweiten Nachtragshaushalt vorstellt, mit dem die Kreditaufnahme des Bundes in diesem Jahr auf über 218 Milliarden Euro steigt, sieht Olaf Scholz so zufrieden aus, als ließe sich das gar nicht mehr steigern. Denn auf das Konjunkturpaket, für das das viele Geld verwendet wird, ist Scholz überaus stolz – und zwar nicht primär als Vizekanzler, sondern vor allem als Sozialdemokrat. „Ich weiß schon, warum ich in die SPD eingetreten bin“, sagt er mit etwas Pathos in der Stimme.

Mit dem umfassenden Paket werde Deutschland wieder aus der Krise kommen, sagt Scholz – und zitiert dazu die Neue-Deutsche-Welle-Band Geier Sturzflug: „‚Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt‘ – das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben.“ Dass dieses Lied, in dem Kranke und Alte wieder arbeiten, um die Konjunktur anzukurbeln, so gar nicht zum SPD-Programm passt, stört offenbar nicht weiter.

Stattdessen freut sich Scholz, dass die Pläne der Regierung insgesamt gut ankommen. „Selbst den professionellen Kritikern fällt es schwer, ein Haar in der Suppe zu finden“, meint er. Das stimmt nicht so ganz: Die FDP kritisiert, dass der Finanzminister die gesamten Schulden für das Konjunkturprogramm schon in diesem Jahr aufnimmt, obwohl es über mehrere Jahre läuft. Damit wolle Scholz im Wahlkampfjahr 20w21 ohne neue Schulden auskommen, vermutet FDP-Haushälter Otto Fricke: „Das sind Taschenspielertricks eines Finanzministers, der gerne ins Kanzleramt umziehen möchte.“

„Ich weiß schon, warum ich in die SPD eingetreten bin“

Olaf Scholz, Sozialdemokrat

Für die Grünen kritisiert der haushaltspolitische Sprecher Sven Kindler, dass Scholz die Schulden schon innerhalb von 20 Jahren tilgen will. Damit drohe „eine übermäßige Belastung der kommenden Haushalte“ und eine neue „Phase der Austerität“. Auch Linken-Haushälterin Gesine Lötzsch sorgt sich um die Finanzierung des Pakets. „Die hat die Regierungskoalition noch völlig offen gelassen“, kritisierte sie – und fürchtet: „Nach der Wahl wird dann die Rechnung präsentiert.“

Und der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, kritisierte erneut, dass Hartz-IV-EmpfängerInnen beim Konjunkturpaket nichts abbekommen – eine auch von der SPD geforderte Sonderzahlung wurde nicht umgesetzt. Das bedauerte auch Scholz noch einmal; doch mit Mehrwertsteuersenkung, Kinderbonus und ausgeweiteter Kurzarbeitszahlung sei das Paket trotzdem sehr sozial, erklärte er.

Und von einer längeren Tilgung hält der Finanzminister nichts. Das widerspreche „solider Haushaltspolitik“ und „Maß und Mitte“, sagte der Finanzminister. Ganz verschwunden ist der Olaf Scholz vom vergangenen Jahr offenbar noch nicht.