Andreas Speit Der rechte Rand: Wo sich Rechte gegenseitig diskreditieren
In der rechten Szene ist das, was Alexander Wolf getan hat, wohl eine Art Verrat. Der Bürgerschaftsvorsitzende der Hamburger AfD hat im Bundesvorstand seiner Partei für die Annullierung der Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz gestimmt. Kalbitz, der brandenburgische Fraktionsvorsitzende der AfD und bundesweite Organisator des „Flügels“, war in rechtsextreme Organisationen verstrickt. Darüber, ob sein Ausschluss richtig war, toben nicht nur in der AfD, sondern auch in der rechten Szene Konflikte. Die Empörung bekommt Wolf ab – und sie scheint ihm gelegen zu kommen. Denn er nutzt sie, um sich mal wieder öffentlich als bürgerlich-moderater Konservativer zu gerieren.
Angefeindet wird Wolf aus dem neurechten Milieu um das Institut für Staatspolitik (IfS). Auf dem Portal „sezession.de“ griff Götz Kubitschek, Mitbegründer des IfS, den AfD-Politiker offen an. Kubitschek, der das Portal verantwortet, hält Wolf vor, bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar nur 5,3 Prozent für die AfD eingefahren zu haben und die Ursache für das „katastrophale Abschneiden“ nicht bei sich selbst zu suchen. Er würde vielmehr „jene erfolgreichen Protagonisten“, die in Brandenburg und Thüringen wesentlich höhere Wahlergebnisse erzielten, angreifen.
Das IfS stand den „Flügel“-Frontmännern Andreas Kalbitz aus Brandenburg und Björn Höcke aus Thüringen von Beginn an mehr als nahe. Ihren Kritikern hält das IfS auch mal Szeneinternes vor. So erzählt Kubitschek, dass Wolf und Kalbitz sich von „sehr früh her kennen und im Burschenschaftshaus der Danubia München manchen gemeinsamen Abend erlebten“.
Schon 2015 räumte Wolf gegenüber der taz ein, dass er Alter Herr dieser Burschenschaft ist, die der bayrische Verfassungsschutz als rechtsextrem einordnet. Kubitschek verrät zudem, dass Wolf für ein Liederbuch in die Kritik geraten war. Vor drei Jahren, 2017, berichteten Medien wie die taz, dass Wolf eine Liedersammlung mit dem einschlägigen Titel „Schlachtruf“ herausgab, in der auch die Hymne der „Hitlerjugend“ enthalten war: „Unsere Fahne flattert uns voran“. Kubitschek schreibt nun, dass der „Schlachtruf“ in „nationalen Kreisen als grenzwertige, jedenfalls härteste erhältliche Zusammenstellung“ galt und „in den patriotischen Jugend- und Wandervogelbünden nicht zugelassen“ war. Der Herausgeber sie bei ihnen „nicht gut angesehen“ gewesen.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Mit der Unterstützung des AfD-Bundessprechers Jörg Meuthen, der den Antrag gegen Kalbitz stellte, gibt sich Wolf trotz seiner Liederbuch-Vergangenheit als einer „der Vernünftigen“ in der AfD. Er distanziert sich davon nicht. Auf Facebook würdigte er am 14. Juni dann auch „205 Jahre Burschenschaften – ein Grund zum Feiern!“. Welch glücklicher Zufall für ihn: Keine der Burschenschaften, die Verfassungsschutzämter als rechtsextrem einstufen, hält seine Partei für unvereinbar mit einer AfD-Mitgliedschaft.
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