piwik no script img

Die Zecken lauern auf der Freibadwiese

Das Freibad am Rahlstedter Wiesenredder soll schließen. Richtig gut gepflegt wird es schon jetzt nicht mehr. Das Gras steht hoch – und bietet unerwünschten Tierchen einen Lebensraum

Von Kaija Kutter

Ein schöner Sommer in der Großstadt ist doch noch möglich, denn acht Freibäder haben wieder auf, wenn auch limitiert. Das Bad Wiesenredder in Rahlstedt zum Beispiel ist für 600 Besucher zugelassen und war am Dienstag so gut besucht, dass es lange Schlangen vor dem Kiosk gab. Im Becken, an den Rändern, auf dem Spielgerüst, auf den Wiesen, wimmelte es vor Kindern, die Spaß hatten, auch wenn Rutsche und Sprungturm noch mit Bändern abgesperrt sind.

Doch es soll die letzte Saison für dieses Bad sein, und wer aufmerksam guckt, findet Hinweise darauf. Das Gras zum Beispiel ist erstaunlich hoch, ungewöhnlich für ein Schwimmbad. Die Initiative, die seit Jahren für den Erhalt des Bades kämpft, wirft der Stadt vor, es verfallen zu lassen. Das Bad soll abgerissen und mit Wohnungen bebaut werden. Ersatz wird ein kleines Becken an anderer Stelle.

Heute ist nicht nur die Dusche am Eingang, sondern auch das Wasser kalt. Statt der geplanten 20 Bahnen schaffe ich nur zehn – und danach noch etwas ausruhen auf der Wiese. Wer hier sitzt und den Kindern zuguckt, die ausgelassen ihre Freizeit verbringen, möchte am liebsten noch eine letzte Initiative zur Rettung starten, den Umweltsenator einladen, hier zu baden, oder so.

Nach zehn Minuten Blick in den blauen Himmel fällt meinem Mitschwimmer ein Knubbel an seinem Bein auf. Das ist doch nicht? Doch, es ist eine winzige Zecke. Also zügig nach Hause, wo es eine Zeckenkarte gibt, mit der sich das Tier rausziehen lässt.

Zecken gibt es in der Natur, aber auf Liegewiesen in Freibädern vermutete man sie nicht. Auf der Verpackung der Zeckenkarte steht als Tipp: „Meiden Sie hohe Gräser.“ Wäre es sinnvoll, den Rasen auf Liegewiesen in Freibädern kurz zu mähen, um die Wahrscheinlichkeit eines Zeckenbisses zu verringern? Die Hamburger Behörden wussten das gestern nicht zu sagen.

„Richtig. Den Rasen zu kürzen ist sehr empfehlenswert“, sagt indes Zeckenforscher Jochen Süss. Dies mindere die Wahrscheinlichkeit, dass sich Zecken dort aufhielten, schließe es allerdings nicht vollkommen aus. Zecken hielten sich in einer bodennahen Vegetation in Höhe von 30 bis 60 Zentimetern auf. Wer ins Grüne gehe, begebe sich automatisch ins „Zeckenrevier“.

Auch Ute Mackenstedt, die Leiterin der Parasitologie an der Universität Hohenheim, bejaht diese Frage. „Die häufigste Zeckenart in Deutschland ist der gemeine Holzbock“, sagt sie. Diese Zeckenart bekomme ein Problem, wenn es sehr trocken werde. „Im hohen Gras gibt es ein feuchtes Mikroklima, in dem sich das Tier gut aufhalten kann“, so Mackenstedt. Gekürzter Rasen sei so trocken, dass sich die Zecke in den Boden zurückziehe. Dennoch sei Rasenmähen kein absoluter Schutz.

Zecken träten gehäuft im Mai und Juni auf. Im Juli und August führe die Trockenheit zu einem Rückzug der Tiere in Richtung Boden oder Laubstreu. Aus Biodiversitätsgründen sollten auch nicht alle Bienenwiesen permanent kurz gemäht werden.

Bäderland-Sprecher Michael Dietel war gestern im beliebten Kaifu-Bad in der Innenstadt, das nicht geschlossen werden soll und auch seit dieser Woche offen ist. Angesprochen auf Rahl­stedt sagt er, es gebe eine „feste Routine“ in der der Rasen gepflegt werde. Den Hinweis auf das hohe Gras gebe er „gern mal weiter“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen