Presse verbannt

Die Polizei hat mehreren Journalisten verboten, von Protesten am Kraftwerk Datteln zu berichten

Von Malte Kreutzfeldt

Wenn an diesem Samstag das umstrittene neue Kohlekraftwerk Datteln 4 den Regelbetrieb aufnimmt, wird es rund um das Gelände wieder zu Protesten von UmweltschützerInnen kommen. Doch Anett Selle, die für die taz schon von vielen Klimaschutz-Aktionen aus Nordrhein-Westfalen berichtet hat, sollte die Aktionen diesmal nicht aus der Nähe verfolgen dürfen: Die Polizei Recklinghausen hat der freien Journalistin für drei Monate ein offizielles Aufenthaltsverbot erteilt, das neben dem Gelände des Kraftwerks selbst auch mehrere benachbarte öffentliche Straßen umfasst – darunter jene vor dem Eingang zum Kraftwerk, auf der am Samstag Mahnwachen geplant sind.

Als Begründung nennt die Polizei, dass Selle Anfang Februar im Auftrag des WDR von einer Protestaktion auf dem Kraftwerksgelände berichtet hat. Das Unternehmen Uniper, das Datteln 4 betreibt, hat darum Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt; eine Entscheidung darüber ist bisher nicht gefallen. Es sei „davon auszugehen“, dass sie sich „erneut Zutritt zum Gelände des Kraftwerks Datteln 4 verschaffen könnte“, behauptet die Polizei in einer Verfügung, die ihr in dieser Woche zugestellt wurde. Andere MedienvertreterInnen, die ebenfalls bei der Aktion dabei waren, bekamen ähnliche Post.

Dass die Reporterin durch das Aufenthaltsverbot rund um das Kraftwerk ihrem Beruf nicht nachgehen kann, bestreitet die Polizei. „Es besteht keine Notwendigkeit für Sie, für Ihre Berichterstattung das Gelände zur Erlangung von Informationen zu betreten“, schreibt das Polizeipräsidium Recklinghausen. Denn: „Die Pressestelle der Polizei steht Ihnen außerhalb des Verbotsbereichs für Fragen zur Verfügung.“ Dass seriöse JournalistInnen sich lieber aus erster Hand informieren, scheint man sich dort nicht vorstellen zu können.

Gegen diese massive Beschränkung der Pressefreiheit setzt sich Selle juristisch zur Wehr. „Dass die Polizei mich zu einer ‚Gefahr für die öffentliche Sicherheit‘ erklärt und in die Freiheit der Berichterstattung eingreift, ist völlig inakzeptabel“, sagt sie. Ob eine Entscheidung noch rechtzeitig vor den Protesten fällt, war am Freitag noch offen.

Ein weiterer betroffener Journalist, der Fotograf Björn Kietzmann, hat bereits einen Zwischenerfolg erzielt: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen setzte sein Aufenthaltsverbot am Donnerstag vorläufig außer Kraft. Das sei erforderlich, um „wesentliche Nachteile“ für den Journalisten zu vermeiden, entschied das Gericht unter ausdrücklichem Verweis auf den Pressefreiheits-Artikels des Grundgesetzes. Eine endgültige Entscheidung fällt zu einem späteren Zeitpunkt.

Als Reaktion auf diese Entscheidung erklärte das Polizeipräsidium Recklinghausen am Freitagnachmittag, dass nun auch alle anderen betroffenen JournalistInnen von den Protesten am Samstag berichten dürfen. Dabei erweckte die Pressestelle den Eindruck, dass dies von Anfang an so vorgesehen war. Dies steht allerdings eindeutig im Widerspruch zum offiziellen Bescheid.