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Beirat ohne Stadtteil

Langsam arrangieren sich die Beiräte mit den schwierigen Bedingungen für Sitzungen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist aber vielerorts noch unzureichend

Klassisches Beirats-Streitthema: Die schönsten Straßennamen sind oft nicht mehrheitsfähig Foto: Steinach/imago

Von Lotta Drügemöller

Osterholz berät über ein Windrad am Bultensee, Huchting sucht nach Namen für eine neue Straße, in Gröpelingen wurden 20.000 Euro für Laptops für Oberschul-Schüler*innen aus Globalmitteln bereitgestellt – die Beiräte stellen ihre Arbeit in der Coronazeit nicht ein. Die Kontaktbeschränkungen haben allerdings auch den Stadtteilparlamenten die Arbeit erschwert – wie kann man tagen, wenn Treffen verboten sind? Wie bekommt man Fragen und Einwände der Bürger*innen abgebildet, wenn kein Publikum zugelassen ist?

„Die Beiräte mussten eine Schippe Frustrationstoleranz drauflegen“, so Bürgermeister Andreas Bovenschulte in einem Pressegespräch am Freitag. Doch mittlerweile, so die Botschaft, sind Lösungen gefunden. Tatsächlich zeigen sich auf Nachfrage die meisten Ortsamtsleiter*innen und Beiratsvertreter*innen recht zufrieden. Versäumnisse der Vergangenheit sorgen bei manchen aber noch für Ärger: „Schade, dass die Landesregierung in der Anfangszeit die Kommunalpolitik völlig vergessen zu haben scheint“, meint etwa Tim Haga (CDU) vom Beirat Vahr.

Die Bürgerschaft bekam früh eine Ausnahme vom Versammlungsverbot, Beiräte hingegen dürfen sich erst seit dem 20. April wieder treffen. Videokonferenzen waren vielerorts zunächst nicht möglich, weil die Technik fehlte. Absprachen nur per Mail und Telefon seien enorm zeitaufwendig gewesen, erklärt Barbara Wulff (SPD). „Das wurde auch für mich als Rentnerin fast zum Fulltimejob“, so die Gröpelinger Beiratssprecherin.

Mittlerweile hat die Senatskanzlei den Ortsämtern ein technisches Update gegönnt; mancherorts werden Sitzungen jetzt live ins Netz gestreamt. Die Ausschusssitzung zur Lage der Gastronomie im Viertel haben laut Jonas Friedrich (Grüne), Sprecher im Beirat Mitte, so mehr Zuschauer*innen verfolgt als viele normale Sitzungen.

Auch erste Präsenzsitzungen finden wieder statt; je nach Raum dürfen aber nur wenige Gäste kommen. Hemelingen plant deshalb online: Die nächste Sitzung soll live auf Youtube übertragen werden. Zuschauer*innen können Fragen per Mail stellen, die in der Sitzung vorgelesen werden.

„Das wurde auch für mich als Rentnerin fast zum Fulltimejob“

Barbara Wulff, Beirat Gröpelingen

Das geht nur mit ehrenamtlicher Hilfe. Der Aufwand aber ist nicht der einzige Grund, warum nicht alle Beiräte Videoübertragung wählen: Manche Mitglieder seien schlicht nicht technikaffin, heißt es aus Ortsämtern; andere hätten Angst, dass online jedes Wort gespeichert und später auf die Goldwaage gelegt werde. Mancherorts gibt es eigene Probleme: „Bei uns wohnen drei Beiratsmitglieder in einem noch nicht mit Breitband erschlossenen Gebiet, wo Brieftauben schneller wären“, so Borgfelds Beiratssprecher Gernot Erik Burghardt (FDP).

Dass noch immer Sitzungen fast ohne Öffentlichkeit stattfinden, ist problematisch: „Das ist ein großer Verlust an Bürgernähe“, sagt Blumenthals Beiratssprecher Hans-Gerd Thormeier (CDU). „Wir haben Geld vergeben; das sollte eigentlich öffentlich sein“, so Michael Horn (Linke) vom Beirat Huchting. „Nur in Ausnahmefällen dürfen Themen intern behandelt werden“, so Annemarie Czichon, Ortsamtsleiterin für Woltmershausen und die Neustadt.

Sind nun Entscheidungen aus der Coronazeit anfechtbar? Das stünde nicht fest, so Borgfelds Beiratssprecher Burghardt, der auch Rechtsanwalt ist. Er jedenfalls glaubt nicht an eine Flut an Klagen: Schließlich sei Verwaltungsrecht meist nicht von Rechtsschutzversicherungen erfasst; Betroffene dürfte das abschrecken.

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