Skepsis bei der Energie der Zukunft

Das Wirtschaftsministerium bremst die Euphorie über Wasserstoff: Die grüne Energie sei auch langfristig teurer als fossile. Die Regierung will mit 7 Milliarden Euro helfen

Gefördert werden soll Wasserstoff nur, wenn er aus grünen Energien stammt – wie hier aus Windenergie und Biogas Foto: Paul Langrock

Aus Berlin Bernhard Pötter

Kurz vor Verkündung der „Wasserstoffstrategie“ der Regierung warnt das Bundeswirtschaftsministerium vor zu großen Erwartungen an die neue Energieform. Wasserstoff sei zwar nötig, um die Klimaziele zu erreichen, aber langfristig teurer als fossile Brennstoffe und in großem Maßstab bisher nicht erprobt. Um Wasserstoff mit erneuerbaren Energien herzustellen, sei die Kapazität deutschen Ökostroms begrenzt. Das sind auch die wichtigsten Aussagen eines Gutachtens, das das Ministerium am Freitag veröffentlicht. Die Untersuchung liegt der taz vor.

Die umfangreiche Studie „Kosten und Transformationspfade für strombasierte Energieträger“ hat das Haus von Minister Peter Altmaier (CDU) bei der Schweizer Unternehmensberatung prognos erstellen lassen. Die Autoren rechnen mehrere Szenarien durch, wie und wo Wasserstoff produziert oder nach Deutschland transportiert werden kann. Wasserstoff (H2) gilt als saubere Energiequelle der Zukunft, wenn er durch Elektrolyse mit Ökostrom erzeugt wird, er soll Öl und Gas in Verkehr und Industrie ersetzen.

In der Studie heißt es allerdings, die Herstellung von Wasserstoff oder daraus gewonnenen gasförmigen und flüssigen Brennstoffen, sogenannte Power to Gas (PtG) oder Power to Liquid (PtL), etwa Methan und Kraftstoffe, bleibe auch dann bis 2050 kostspieliger, wenn die Fossilen deutlich teurer würden.

Außerdem seien die Kapazitäten knapp. Der bisherige Ausbaupfad der erneuerbaren Energien lasse „bis 2030 nur eine inländische Erzeugung von maximal rund 16 TwH (Terrawattstunden) grünem Wasserstoff zu, sofern ausschließlich erneuerbarer Strom genutzt werden soll“. Wenn Deutschland sein Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, schaffen will, werden bis dahin nach unterschiedlichen Einschätzungen 110 bis 1.200 TwH von Energie aus Wasserstoff benötigt.

Mit der Studie positioniert sich das Wirtschaftsministerium im regierungsinternen Ringen um die Zukunft der Energieversorgung. Die eigentlich für Ende 2019 geplante „Wasserstoffstrategie“ wurde immer wieder verzögert. Das SPD-geführte Umwelt- und das CDU-Forschungsministerium haben erreicht, dass öffentliche Gelder nur für sogenannten grünen Wasserstoff fließen sollen, der aus erneuerbaren und nicht aus fossilen Quellen gewonnen wird. Vor allem Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) schwärmt vom H2 als Zukunftstechnik und möchte Deutschland zum globalen Marktführer machen.

Karliczek plädiert dafür, bis 2030 Elektrolyse-Anlagen für die Produktion von Wasserstoff mit einer Leistung von 10 Gigawatt zu errichten. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag setzt auf eine solche Größenordnung – für die die jetzige Planung für Wind- und PV-Anlagen (65 Prozent der Stromerzeugung bis 2030 aus Öko-Anlagen) deutlich erhöht werden müsste.

Das ohnehin skeptische Wirtschaftsministerium hat sich hier offenbar durchgesetzt. Die Regierung plant im Konjunkturpaket, bis 2030 nur 5 GW zu bauen, „nach Möglichkeit“ bis 2035 noch einmal 5 GW und spätestens 2040 die 10 GW zu erreichen. Dafür und für Forschung und Subventionen plant die Regierung 7 Milliarden Euro ein.

Lohnen wird sich der Einsatz von H2 bei Lokomotiven, Lkw-Transport und Stahlerzeugung

„Es ist wichtig, dass Deutschland langfristig alle fossilen Energieträger durch klimafreundliche erneuerbare Energien ersetzen kann“, sagt Minister Altmaier. „Da Wasserstoff hierfür eine Schlüsselfunktion hat, müssen wir jetzt die Weichen stellen, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an der Finalisierung der Wasserstoffstrategie mit ambitionierten, aber erreichbaren Zielen.“

Wenn nicht genug Wasserstoff in Deutschland produziert wird, müsste er importiert werden, heißt es im prognos-Gutachten. Das sei nicht einfach: Bislang gibt es kaum in großem Maßstab ökologisch erzeugten Wasserstoff für den Transport, in Nordafrika könnte eine solche, auch mit europäischen Mitteln aufgebaute Produktion Probleme mit dem Trinkwasser bringen.

Eine Absage formuliert das Papier an die Hoffnungen, mit Wasserstoff auch die Gebäude und den Autoverkehr grün zu machen. Da gebe es günstigere Mittel wie Wärmepumpen und Elektromobilität, heißt es. Lohnen würde sich der Einsatz von Wasserstoff-Technik etwa bei Lokomotiven, die bislang mit Diesel fahren, beim Lkw-Transport, dem Ersatz von Gas in Raffinerien und in der Stahlerzeugung. Sobald Industrien im weltweiten Wettbewerb stehen, wie beim Stahl, müssten aber Mehrkosten ausgeglichen werden.

Ohnehin seien die Kosten hoch, so die ­prognos-Experten. Für etwa 3 Milliarden Euro Mehrkosten könne man mit der gesamten deutschen H2-Produktion 2030 etwa 8 Prozent des deutschen Stahls klimafreundlich produzieren und etwa 5 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Für das gleiche Geld könne man den innerdeutschen Flugverkehr mit CO2-freiem Kerosin fliegen lassen, aber nur halb so viel CO2 einsparen.