Bomben, dann helfen: Geberkonferenz für Jemen

Eine UN-Konferenz sammelt Hilfsgelder für Jemen. Ausgerechnet Saudi-Arabien, das im Krieg gegen proiranische Rebellen das Nachbarland zerbombt hat, hat dazu eingeladen

Jemens einst malerische Hauptstadt Sanaa steht seit Jahren unter Kontrolle der Huthi-Aufständischen, die gegen Saudi-Arabien kämpfen Foto: Khaled Abdullah/reuters

Von Jannis Hagmann

Es geschah an einem Dienstagmorgen. Gerade erst hatte das Krankenhaus in der nordjemenitischen Stadt Kitaf seine Türen geöffnet und die ersten PatientInnen trafen ein, als eine gewaltige Explosion die morgendliche Routine zerriss. Das jüngste Opfer war gerade erst acht Jahre alt. Weitere Kinder, Gesundheitspersonal und ein Sicherheitsmitarbeiter waren unter den getöteten Zivilisten. Das Krankenhaus, Anlaufstelle für rund 5.000 Menschen in der Region, wie die Hilfsorganisation Safe the Children am Folgetag mitteilte, wurde schwer beschädigt.

Der Luftangriff von Kitaf im März vergangenen Jahres, der eigentlich einer Tankstelle in unmittelbarer Nähe galt, ist nur einer von Tausenden Angriffen im Jemen. Regelmäßig werden dabei ZivilistInnen verletzt und getötet und Krankenhäuser oder Schulen zerstört. „Jemen ist die weltweit größte humanitäre Krise“, teilten die UN anlässlich einer internationalen Geberkonferenz am Dienstag mit, die in diesem Jahr aufgrund der Coronapandemie online stattfinden musste. „24 Millionen Menschen benötigen Hilfe und Schutz und die Situation verschlechtert sich von Stunde zu Stunde.“ Die Pandemie verschärfe die Lage im Jemen noch weiter. „Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich Covid-19 schnell und weit im ganzen Land verbreitet.“ Das in großen Teilen zerstörte Gesundheitssystem des Landes würde ein größerer Corona-Ausbruch restlich überfordern.

Für Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter baten die UN am Dienstag um Zusagen in Höhe von rund 2,4 Milliarden US-Dollar von den internationalen Geldgebern. 180 Millionen davon würden speziell für den Kampf gegen das Coronavirus gebraucht. Bislang wurden im Jemen lediglich 278 Corona-Infizierte gemeldet, von denen allerdings 57 gestorben sind, was eine hohe Dunkelziffer vermuten lässt.

Eine Zusage für 525 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern kam ausgerechnet von Saudi-Arabien. Das schwerreiche Nachbarland ist nicht nur aktive Kriegspartei im Jemen, sondern gleichzeitig auch einer der größten Geldgeber. Erstmals seit Beginn des Jemenkriegs ist Saudi-Arabien zudem offizieller Co-Ausrichter der UN-Geberkonferenz, was im Jemen wie auch international auf Kritik stieß.

Die Konferenz sei „ein alberner Versuch“, die eigenen Verbrechen zu beschönigen, teilte ein Sprecher der jemenitischen Huthi-Rebellen mit, gegen die Saudi-Arabien im Rahmen einer Militärkoalition mehrerer Staaten kämpft. Die politische Analystin Maysaa Shuja al-Deen sagte dem Nachrichtensender Al-Jazeera, Saudi-Arabien würde mit der Konferenz versuchen, das eigene Bild aufzupolieren. Das Land habe „schon immer versucht, das Narrativ des Krieges zu ändern und sich selbst als Unterstützer der legitimen Regierung statt als Teil des Konfliktes zu präsentieren“.

Die saudisch geführte Militärkoalition führt seit 2015 Krieg gegen die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz, die weite Teile des Landes von der international anerkannten Regierung von Abed Rabbo Mansur Hadi erobert hat. Ein ExpertInnenpanel des UN-Menschenrechtsrats hat der Koalition in einem im September veröffentlichten Bericht schwere Vorwürfe gemacht. „Luftangriffe der Koalition haben insbesondere Ackerland, Wasseranlagen, wesentliche Hafeninfrastruktur und medizinische Einrichtungen zerstört oder beschädigt“, heißt es in dem Bericht. Auch sei ­Hilfspersonal sowie die Verteilung humanitärer Hilfsgüter behindert worden. Ähnliche Vorwürfe erhob das Panel auch gegen andere Kriegsparteien im Jemen.

In der Kritik steht unter anderem die Auswahl der Ziele von Luftangriffen der Militärkoalition. Es bestünden „ernsthafte Zweifel“ an der Verhältnismäßigkeit, den getroffenen Vorsichtsmaßnahmen und daran, „ob der Prozess der Zielauswahl den Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts“ entspreche. Auch den Angriff in Kitaf, bei dem insgesamt acht Zivilisten getötet wurden, untersuchten die UN-ExpertInnen. Die Rakete wurde demnach von der von Saudi-Arabien geführten Koalition abgefeuert.

Dass die Saudis nun gemeinsam mit den UN die Hilfskonferenz ausrichten durften, verteidigte UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock. Das Königreich sei ein wichtiger Geldgeber und die UN würden die Kriegsparteien weiterhin für „Aktionen, die sie nicht tun sollten“, anprangern.

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