Unterschätzte Cyberkriminalität: Phishing, das sind die anderen

Auf betrügerische E-Mails hereinzufallen halten wir für unwahrscheinlich, sagt eine Studie. Bei unseren Mitmenschen sehen wir das größere Risiko.

bild einer Projektion in grüne eines Biären Codes um den Schattenriss einer Person mit Laptop in der Hand

Auf Spam-Mails hereinzufallen, hat viel mit Überforderung zu tun Foto: Kacper Pempel/reuters

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fürchte mich meist vor den falschen Sachen. Vor kleinen Hunden, aber nicht vor Zecken. Vor Viren, aber nicht vor Menschen, die sie verbreiten. Vor Stille, aber nicht vor Taubheit. Auch meine Online-Ängste sind höchst irra­tional: Ein peinlich platziertes „Gefällt mir“ bereitet mir mehr Unruhe als ein Formular, das meine E-Mail-Adresse verlangt und mir dafür die Erfüllung aller meiner Träume verspricht.

Womit wir beim leidigen Thema der Cybersicherheit wären, mit dem ich mich an dieser Stelle schon auseinandergesetzt habe. Vor einigen Wochen schrieb ich, dass die Gefahr, auf Spam hineinzufallen, viel mit Überforderung zu tun hat: Menschen, die eine Aufgabe am Computer lösen mussten und von Pop-ups gestört wurden, übersahen sichtlich gefälschte Anzeigen. Außerdem wählen wir oft unsichere Passwörter, weil wir glauben, uns kompliziertere nicht merken zu können. Das Thema bleibt aktuell, sind wir doch dank Corona auf das Internet mehr angewiesen denn je. Die Gefahr ist enorm, werden doch auch sensible Unternehmensdaten online kommuniziert.

Eine aktuelle Studie von Forschenden der New York University, die kürzlich in der Fachzeitschrift Comprehensive Results in Social Psychology erschien, widmet sich einmal mehr der Frage, wie Menschen auf das Risiko von Onlinekriminalität reagieren. Konkret geht es um Phishing-Mails, also E-Mails mit betrügerischen Inhalten, die beispielsweise auffordern, die eigenen Bankdaten einzugeben.

In vier unterschiedlichen Experimenten mussten sich die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer E-Mails ansehen. Ein Teil davon war sichtlich gefälscht, ein Teil nicht. Daneben wurde angezeigt, wie viele Menschen bei ähnlichen Experimenten den Anweisungen auf den Mails gefolgt waren. Dann mussten die Teilnehmenden zwei Fragen beantworten: Würden sie selbst auf die E-Mail klicken? Glaubten sie, dass die anderen auf die E-Mail klicken würden?

Wir vertrauen Erfahrung statt Zahlen

Es zeigte sich, dass man das eigene Risiko, auf eine Phishing-Mail reinzufallen, als deutlich geringer betrachtete als jenes der anderen. Um einzuschätzen, wie sich die anderen verhalten würden, orientierten sich die Befragten an den vorhandenen Zahlen – beim eigenen Risiko allerdings nicht. Da denken wir nämlich nicht strategisch, sondern vertrauen eher den eigenen Erfahrungen als objektiven Zahlen.

Sich selbst als besser als der Durchschnitt einzuschätzen ist an sich eine gesunde Lebenseinstellung. Wenn es um die Einschätzung solcher Gefahren geht, braucht es allerdings mehr Einsicht in die eigenen Schwächen. Was hilft, so die Autorinnen und Autoren, sei eine andere Kommunikation des Risikos – und liefern den IT-Abteilungen gleich einen guten Tipp nach: Man muss es auf sich selbst beziehen können, am besten, indem man es mit eigenen, ähnlichen Erfahrungen verbindet. Etwa, indem man das Klicken auf eine Phishing-Mail mit einem peinlich platzierten „Gefällt mir“ vergleicht. Bei mir würde das wirken.

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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