Geflüchtete dürfen gesund bleiben

Bremen versucht, Bewohner*innen von Gemeinschaftsunterkünften jetzt Abstand zu ermöglichen

Juristisch galt das Lager, unabhängig von der Zahl der Insassen, als eine einzige Hausgemeinschaft

Von Benno Schirrmeister

Nach eigenen Angaben als erstes Bundesland hat Bremen in seine Rechtsverordnung zum Schutz vor Corona-Infektionen einen Mindestabstand für Bewohner*innen von Gemeinschaftsunterkünften festgeschrieben. Gemünzt ist die Regelung auf Unterkünfte, in denen Geflüchtete wohnen müssen. Trauriger Anlass: In der Erstaufnahmestelle Lindenstraße, wo sich Anfang März noch 700 Menschen 200 Zimmer teilen mussten, ist es zu massenhaft Infektionen gekommen: Mittlerweile haben dort 159 der nur noch 330 Einquartierten das Virus. Elf sind bislang schwer erkrankt und werden in der Klinik behandelt.

Seit Anfang März hatten zahlreiche Bewohner*innen mit Blick auf die Pandemie die sofortige Schließung der Einrichtung gefordert, ihren Protest mit Kundgebungen in die Stadt getragen – und breite gesellschaftliche Unterstützung gefunden. Die fachlich zuständigen Senatorinnen, die Grüne Anja Stahmann (Soziales) und die Linke Claudia Bernhard (Gesundheit), waren dadurch erheblich unter Druck geraten. Noch am Montag hatte Bernhard Demonstrierenden vor ihrem Amtssitz sagen müssen: „Das Gesundheitsamt kann die Lindenstraße nicht schließen“, es fehle eine Rechtsgrundlage. Mit der neuen Verordnung sieht das jetzt anders aus.

Zwar benennt die Norm ausdrücklich auch Quartiere für Saisonarbeitskräfte. Für die gelten aber ohnehin bundesweit Arbeitsschutzregeln wie die Unterbringung in Einzelzimmern. Für Geflüchtetenunterkünfte hingegen gibt es keine einheitlichen Vorgaben. Zwar haben einige Bundesländer, wie Mecklenburg-Vorpommern, verbindliche Mindeststandards, andere, wie Schleswig-Holstein, wenigstens empfohlene. Hamburg und Bremen aber haben solche Festlegungen bisher vermieden.

Insofern hatte eine Strafanzeige gegen die Arbeiterwohlfahrt, die für die Sozialbehörde die Lindenstraße betreibt, wegen vermeintlicher Verstöße gegen gesundheitspolizeiliche Bestimmungen Ende März noch folgenlos bleiben müssen. Juristisch galt nämlich das Lager unabhängig von der Insassenzahl als eine einzige Hausgemeinschaft. Für die gelten keine Abstandsregeln.

Zur Repression für die Bewohner*innen der Einrichtungen solle die neue Regel nicht dienen, beteuerte ein Sprecher der Gesundheitssenatorin. „Die Idee ist: Wir bieten die Möglichkeit, sich in der Einrichtung zu schützen, nicht: Wir zwingen die Menschen, Abstand zu halten.“ Tatsächlich richtet die Vorgabe sich in erster Linie an die Betreiberin, also das Sozialressort, das dafür Sorge tragen müsse, die Zahl der Untergebrachten „entsprechend zu begrenzen“.