Führerkult bis zum Schluss

Ende des „Flügels“? Formal scheinen Höcke und Co. der Forderung des AfD-Parteivorstands zu folgen. Doch ExpertInnen sprechen von Augenwischerei und vermuten gar eine Stärkung der Strömung

Von Sabine am Orde

Auf Facebook hat der Flügel es zeitlich ausgereizt. Donnerstagabend war die rechtsextreme AfD-Strömung dort noch online, Freitag früh aber war die Facebook-Seite dann nicht mehr erreichbar. Zumindest hier scheint sich der „Flügel“ an seine Zusage zu halten, sich bis Ende April aufzulösen und alle Aktivitäten unter seinem Namen einzustellen. Das hatte der Bundesvorstand der AfD gefordert, nachdem die Strömung vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden war.

Zuvor aber war noch ein Video zu sehen, in dem „Flügel“-Frontmann Björn Höcke Abschied nimmt. Höcke steht vor dem Kyffhäuserdenkmal und spricht mit gewohntem Pathos, dazu werden Sequenzen aus der Geschichte des „Flügels“ eingespielt, in vielen davon jubeln seine AnhängerInnen ihm zu. Auch eine Szene vom Fahneneinzug beim letzten Kyffhäusertreffen, bei dem sich die Strömung bislang einmal jährlich selbst feierte, ist dabei. Höckes damaliges Gebaren wurde selbst parteiintern als Selbstinszenierung kritisiert.

Aber ein richtiger Abschied ist es nicht. Der „Flügel“, sagt Höcke, sei eine „einzigartige Erfolgsgeschichte, die jetzt formal abgeschlossen, aber gewissermaßen weitergeschrieben wird. Weil der Geist des ‚Flügels‘ natürlich in der Partei bleiben wird.“ Das soll wohl heißen: Wir werden weitermachen, jetzt aber eben ohne „Flügel“-Logo. Schon nach dem Vorstandsbeschluss hatten Höcke und Andreas Kalbitz, der zweite „Flügel“-Anführer, klargemacht, dass sie in der AfD nicht nur weiter mitmischen wollen. Sie hatten durchaus einen Führungsanspruch in der Partei formuliert.

Der Bundesvorstand der AfD will in zwei Wochen die Auflösung des „Flügels“ überprüfen, sagte Parteisprecher Bastian Behrens. Am Montag solle ein Mitglied der Parteispitze beauftragt werden, die Umsetzung des Beschlusses zu prüfen. Wer dies übernehme, sei noch unklar. Bei der nächsten Präsenzsitzung Mitte Mai werde der Bundesvorstand dann über den „Flügel“ beraten. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes sind etwa 20 Prozent der AfD-Mitglieder dem „Flügel“ zuzurechnen. Parteiintern heißt es, es könnten durchaus auch 30 Prozent sein.

ExpertInnen gehen aber nicht davon aus, dass die formale Auflösung des „Flügels“ viel ändern wird. „Der ‚Flügel‘ ist eine Gesinnungsgemeinschaft und kein Abwasserzweckverband. Gesinnungsgemeinschaften lassen sich nicht auflösen“, urteilte David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg auf Twitter.

Auch der Brandenburger Verfassungsschutz hat Zweifel an der Ankündigung des „Flügels“. „Für uns ist die Ankündigung von Björn Höcke und Andreas Kalbitz eine Scheinauflösung“, sagte Behördenleiter Jörg Müller der Funke-Mediengruppe. Die Mitglieder der AfD, die sich zum „Flügel“ bekennen würden, seien weiter in der Bundespartei aktiv. Führungsfiguren wie Höcke und Kalbitz würden zudem weiter „erheblichen Einfluss auf den Kurs der AfD“ ausüben. „Unserer Einschätzung nach gewinnt dieser extremistische Teil der AfD sogar an Einfluss in der Gesamtpartei.“ Ähnlich äußerte sich Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer. Im MDR spach er von einer „Nebelkerze“ und vom „Versuch einer Verschleierung der weiterhin bestehenden, demokratiefeindlichen Bestrebungen“.

Auch der scheidende Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, glaubt nicht an eine Läuterung der AfD. Die ganze Partei sei doch laut Höcke inzwischen Flügel, sagte er dem epd. Knigge hatte zunächst Höcke und inzwischen der ganzen AfD-Spitze an Gedenktagen Hausverbot erteilt.