: „Die Frauen sollen die Lieben sein“
Women*Team (II): Sportlerinnen bekommen weniger öffentliche Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Kickboxerin Svenja Reimers boxt seit 31 Jahren. Nach einer Krebserkrankung will die 44-Jährige im kommenden Jahr ihren 13. Weltmeistertitel erkämpfen
Interview Nathalie Haut
Frau Reimers, warum ist Kickboxen eine männlich dominierte Sportart?
Svenja Reimers: Ich denke, dass Männer in der gesellschaftlichen Betrachtung die sind, die auch im Alltag mal prügeln oder sich mehr am Sandsack auspowern. Man merkt das auch an den Trainingsgruppen. Es sind immer mehr Männer in einer Gruppe als Frauen. Das hat bestimmt auch etwas mit den Geschlechterrollen zu tun. Die Frauen sollen die Lieben sein, die sich nicht schlagen. Das fängt schon in der Schule an. Während sich die Jungs auf dem Pausenhof prügeln, halten sich die Mädchen meistens zurück. Aber ich finde das völlig blödsinnig.
2002 haben Sie ihre erste WM gewonnen, wie war diese Anfangszeit?
Die erste Zeit war schwierig. Wir wurden von oben bis unten begutachtet. Die Kämpfe, auch im Leichtkontakt, waren hart, weil die Schiedsrichter einfach nicht sensibilisiert dafür waren, dass da zwei Frauen kämpfen. Am Anfang gab es für Frauen noch keinen Tiefschutz und keinen Brustschutz. Erst mit der Zeit wurde der Tiefschutz zur Pflicht und noch später der Brustschutz. Inzwischen gibt es in der Profiszene keine Vorurteile mehr.
Warum haben Sie mit dem Kickboxen angefangen?
Ich habe mit 14 Jahren angefangen zu kickboxen, das ist mittlerweile 31 Jahre her. Damals habe ich immer mit meinen Eltern Bruce-Lee-Filme geguckt und war fasziniert. Ich durfte mir dann eine Kampfsportart aussuchen und bin erst beim Ju-Jutsu und später beim Kickboxen gelandet. Ich brauchte in meiner Teenagerzeit einfach ein Ventil, um mich auszupowern.
Sie haben bereits zwölf WM-Titel geholt. Was war für Sie persönlich der größte Erfolg?
Eigentlich bewerte ich alle WM-Titel gleich. Jeder einzelne, egal in welchem Land, war ein großer Erfolg für mich. Dort hinzukommen und sich gegen die Besten der Besten durchzusetzen ist das Größte überhaupt. Nächstes Jahr fahre ich zur WM nach Amerika und wenn ich das Ding nach Hause holen würde, wäre das mein größter Erfolg.
Sie machen gerade eine Pause, um sich zu schonen. Steht schon fest, dass Sie in den Ring zurückkehren werden?
Ja, ich werde definitiv zurückkommen. Kickboxen ist wie eine Sucht für mich, ohne komme ich nicht mehr zurecht. Das gehört schon seit so vielen Jahren zu meinem Leben dazu. Ich muss nur in diesem Jahr etwas vorsichtiger sein, weil ich im letzten Jahr an Krebs erkrankt bin und deswegen operiert werden musste. Deswegen muss ich mich jetzt ein bisschen schonen, aber nächstes Jahr werde ich definitiv wieder starten.
Wie sind Sie mit der Krebs-Diagnose umgegangen?
In den ersten Tagen nach der Diagnose ging es mir sehr schlecht. Danach habe ich es wie im Sport gehandhabt: Arschbacken zusammenkneifen und weiter geht’s. Ich werde nie den Kopf in den Sand stecken, das hat mir mein Sport beigebracht.
Auch bei Kämpfen kann man verletzt werden. Warum betreibt man einen Sport, bei dem das Verletzungsrisiko so hoch ist?
Ich muss sagen, dass das Risiko gar nicht so groß ist. Bei Sportarten wie Fußball oder Handball ist die Verletzungsgefahr viel höher als bei uns. Seit ich kämpfe, hatte ich erst einmal meine Nase gebrochen und einmal hatte ich einen Bänderriss – und das war’s. Wir sind durch unsere Ausrüstung wie Mundschutz, Tiefschutz oder Helm wirklich gut geschützt.
Sie sind auch Mutter. Wie bringen Sie das mit Ihrem Training unter einen Hut?
Ich habe vier Söhne, die zwischen 13 und 24 Jahre alt sind, und wir haben immer eine Lösung gefunden, auch wenn es am Anfang schwer war. Meine Kinder sind in der Halle groß geworden, waren oft dabei oder haben selbst trainiert. Es hat immer funktioniert.
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