: Mehr Corona-Todesfälle bei schlechter Luft
Studie der Uni Halle-Wittenberg zeigt: In Regionen mit nachweislich schlechter Luftqualität führt die Corona-Pandemie auch zu höheren Todeszahlen
Von Susanne Schwarz
Die Beweislage verstärkt sich: Wo die Luft durch Autos, Kraftwerken oder anderen Industrieanlagen bereits deutlich verschmutzt ist, verläuft die aktuelle Coronakrise tödlicher als anderswo.
Der Geowissenschaftler Yaron Ogen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat 66 Verwaltungseinheiten in vier europäischen Ländern untersucht, nämlich in Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland. Darunter hat er fünf „Hotspots“ der Stickstoffdioxid-Belastung ausgemacht, von denen vier in Norditalien liegen und einer in und um die spanische Hauptstadt Madrid.
Das Ergebnis: Fast 80 Prozent der Todesfälle, die in den insgesamt einbezogenen Regionen nach offiziellen Daten auf Covid-19 zurückführbar sind, traten in diesen Hotspots auf.
Eine große Überraschung ist das im Grunde nicht: Schadstoffe wie Stickstoffdioxid schädigen die Atemwege und begünstigen so zahlreiche Atemwegs-, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Da das neuartige Coronavirus ebenfalls die Atemwege befällt, liegt die Vermutung nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und den Todeszahlen bei Covid-19 geben könnte“, sagte Wissenschaftler Ogen.
Die Studie aus Halle zeigt streng genommen erst einmal nur eine Korrelation: Wo die Luft stärker verschmutzt ist, gibt es viele Todesfälle – eine Kausalität ist damit noch nicht bewiesen. Theoretisch wären auch andere Erklärungsfaktoren denkbar: Leben in diesen Regionen beispielsweise zufällig viele alte Menschen, die bei Covid-19 statistisch häufiger einen schweren Verlauf erleiden, könnte auch das für die Häufung an Todesfällen gesorgt haben. Solche Fragen hat Ogen nicht untersucht.
Abgesehen davon, dass die typischen Gesundheitsauswirkungen von Stickoxiden in der Luft bekannt sind, kommen auch andere Wissenschaftler:innen zu ähnlichen Ergebnissen wie Ogen.
Eine Arbeitsgruppe der US-Universität Harvard um die Statistikerin Francesca Dominici war Anfang April zu dem Schluss gekommen, dass selbst kleine Veränderungen der Luftqualität einen großen Einfluss darauf haben, wie viele Menschen an Covid-19 sterben. Das Team hatte sich auf Feinstaub als Luftschadstoff konzentriert. Es verglich Luftqualität und die Covid-19-Todesraten in etwa 3.000 Landkreisen der USA. Auch ihre Ergebnisse legen nahe, dass das neue Coronavirus in Regionen mit schlechter Luft häufiger zu schweren Erkrankungen bis hin zu Todesfällen führt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt seit Langem vor den Gesundheitsfolgen von Luftverschmutzung. Neun von zehn Menschen auf der Erde müssten ständig Luft atmen, die zu stark belastet ist, ergab beispielsweise eine ihrer Studien vor zwei Jahren.
Die UN-Gesundheitsbehörde mahnte zudem an, dass es dabei auch um soziale Gerechtigkeit geht. „Luftverschmutzung trifft uns alle, aber die ärmsten und am stärksten marginalisierten Menschen tragen die Hauptlast“, warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom. Wer wenig Geld hat, kann sich seinen Wohnort selten aussuchen, muss also eher in Gebieten wohnen, in denen die Umwelt verseucht ist.
Luftschadstoffe wie Stickoxide stammen vor allem aus dem Autoverkehr, aus fossil betriebenen Kraftwerken und Industrieanlagen. „Erneuerbare Energien ohne rauchende Schlote und emissionsfreie Autos ohne Abgase sind nicht nur eine Frage von Umwelt- und Klimaschutz“, so der Kai Niebert, Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Zürich und Präsident des Deutschen Naturschutzrings. „Sie schützen vor allem unsere Gesundheit.“
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