Judith Poppe über das endlose Ringen um eine Regierung in Israel: Showdown wie ein Kaugummi
Netanjahu vs. Gantz – Teil 3. Der Showdown steht bevor, könnte man meinen. Doch er zieht sich hin. Die ersten Zuschauer*innen verlassen den Saal. Wie so oft sind die dritten Teile nur müde Wiederauflagen des ersten. Sie hatten sich vereint, um den Bösewicht zu besiegen. Drei ehemalige Generalstabschefs, unter ihnen der Anführer Benny Gantz, haben ihre Differenzen beiseitegelegt, sich Superheldenumhänge übergeworfen und sind in den Kampf gezogen, den wegen Korruption angeklagten Bösewicht Benjamin Netanjahu abzulösen, der alles unternimmt, um nicht in den Knast zu gehen.
In diesem dritten Teil haben sie eine Geheimwaffe entwickelt: Sie wollen ein Gesetz durchbringen, dass Angeklagte nicht Ministerpräsident werden können. Doch dann kommt die Corona-Pandemie, und nach den Wahlen ist eine Regierungsbildung für Gantz wieder nicht möglich. Und so wirft Gantz seinen Umhang ab und läuft über zur dunklen Seite. Natürlich zerbricht daran das Superheldenlager. Netanjahu grinst düster und lockt mit Worten: „Lass uns eine Einheitsregierung bilden“, und Gantz lässt sich einhüllen. Gantz’Mandat zur Regierungsbildung läuft aus. Netanjahu lockt weiter. Der Showdown ist wie die guten alten Bubblegum-Kaugummis: Schon nach Minuten ohne Geschmack, aber enorm zäh.
Immer mehr Kinogäste verlassen den Saal. Eine weise Entscheidung: So kriegen sie das Ende nicht mit. Noch ist es nicht abzusehen: entweder eine Einigung zwischen Netanjahu und Gantz, in der Gantz dazu beiträgt, dass Netanjahu eine Form von Garantie erhält, nicht in den Knast zu gehen. Oder: ein vierter Film, der vermutlich ein noch größerer Flop würde, aus dem der Bösewicht mit einer lockeren, rechtsreligiösen Mehrheit hervorgeht und endlich seine ersehnte Immunität erhält.
Nur eine Chance gibt es noch: Wenn die Superhelden, zerstritten wie sie sind, ihre Wunderwaffe noch ziehen. In dem Fall würde ich das Urteil ändern: ein Klassiker der Superheldengeschichte, der letzte Teil dieser Trilogie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen