: Die chinesische Grippe in Tschechien
Durch gegenseitige Hilfslieferungen hoffte Tschechien seine Beziehung zu China zu kitten. Dass die Güter kaum vor Corona schützen, scheint Nebensache
Aus Prag Alexandra Mostyn
Mit Mundschutz und staatstragendem Blick war die tschechische Regierung diesen Frühlingsanfang angetreten, um eine besonders große Schwalbe willkommen zu heißen: Die An-124 Ruslan, die vergangenen Freitag aus dem fernen China auf dem Prager Václav-Havel-Flughafen landete, barg strategisch wichtige Fracht: 1,1 Millionen Respiratoren für die Frontkämpfer in Intensivstationen und Rettungswägen. „Ab Samstag ist Tschechien aus dem Schlimmsten raus“, beteuerte Innenminister Jan Hamáček als Sprecher des Russland-Empfangskomitees.
Aus dem Schlimmsten raus, so hofft die tschechische Regierung, sind auch die tschechisch-chinesischen Beziehungen. Die waren in den vergangenen Monaten auf einen Gefrierpunkt gefallen, besonders nachdem Prag eine Städtepartnerschaft mit Peking aufgekündigt und durch eine mit Taipei ersetzt hatte. Um die Wogen zu glätten, hatte Tschechien schon Anfang März eine Lieferung des guten Willens nach Wunhan entsandt: 780.000 Paare Handschuhe, 43.000 Atemschutzmasken und Respiratoren, 6.800 Schutzanzüge. Die Hilfsgüter waren von der Präsidentenkanzlei organisiert, rühmte sich deren Leiter Vratislav Mynář später in den Medien: „Und 150.000 Kronen [etwa 6.000 Euro; Anm. d. Red.] haben wir unter unseren Mitarbeitern gesammelt“, freute sich Mynář in einem Interview mit dem Webportal seznam.cz.
Die Idee selbst stamme natürlich von Miloš Zeman, der gute Beziehungen zu China zu einem Schlüsselfaktor seiner Präsidentschaft gemacht hat. Dank dieser Lieferung und dem hervorragenden Draht des Präsidenten nach China habe man es geschafft, die Beziehungen zu China wieder auszugleichen, erklärte Mynář.
Um Hilfsgüter handelt es sich bei der Fracht der An-124 Ruslan strenggenommen nicht. Sondern um ein ganz normales Geschäft. 1 Milliarde Kronen (40 Millionen Euro) hat Tschechien für die Lieferung nach China überwiesen. Insgesamt 3 Milliarden hat die Regierung veranschlagt, um den fatalen Mangel an Virenschutz im Gesundheitsbereich auszugleichen. Dass die Ruslan aus China Respiratoren des Typs FFP-2 an Bord hatte, die nicht wirklich vor dem Coronavirus schützen, und die Schnelltests zu 80 Prozent unsicher sind, scheint dabei eine Nebensache.
Denn die tschechische Regierung gibt sich dankbar bis servil: Ohne den Präsidenten hätte China nie so schnell „Hilfsgüter“ nach Tschechien geliefert, bei dem weltweiten Andrang, entgegnet sie gebetsmühlenartig ihren Kritikern. Die schlagen derweil vor, Covid-19 in Chinesische Grippe umzubenennen.
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