Parlamentswahl in der Slowakei: Überraschungssieger Matovič

Das slowakische Wahlergebnis ist ein deutliches Votum gegen die in Verruf geratene Sozialdemokratie. Der Mord an dem Journalisten Kuciak zeigt Folgen.

ein Mann steht vor einer Menschenmenge und zeigt das Peace-Zeichen

Nächtliche Siegesfeier für den slowakischen Wahlsieger Igor Matovic Foto: David W. Cerny/reuters

Noch am Abend brachte der slowakische Ex-Präsident Andrej Kiska das Ergebnis der Nationalratswahlen auf den Punkt: „Die Herrschaft des Bösen ist beendet“. Die Stimmverteilung, so Kiska, erlaube nun den demokratischen Parteien, die nächste Regierung zu bilden. Ob er mit seiner frisch gegründeten Partei „Für die Menschen“, die immerhin 5,8 Prozent erhielt, in eine Koalition der Guten einsteigen würde liess er offen. „Das muss Igor entscheiden“.

Igor. Gemeint ist Igor Matovič, der Wahlsieger. Niemand hätte dem Unternehmer die 25,02 Prozent an Stimmen zugetraut, mit denen er und seine Anti-Korruptionsplattform OLaNo (Einfache Menschen und unabhängige Persönlichkeiten) bei diesen als schicksalhaft geltenden Wahlen abräumen würden. Zwei Umfragen vor der Wahl sahen Matovič und seine Truppe zuletzt bei 19 Prozent.

Das tatsächliche Votum für Matovič ist aber noch deutlicher: Ihm gelang es, die einst übermächtige sozialdemokratische Smer auf den zweiten Platz zu verbannen. Smer büßte zehn Prozentpunkte ein und erhielt nur noch 18,3 Prozent der Stimmen. Ihr Platz werden die Oppositionsbänke sein, wie der scheidende Ministerpräsident Peter Pellegrini nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses meinte.

An Igor Matovič kommt ohnehin niemand mehr vorbei. “Es wäre eine Schande, wenn wir bei diesem enormen Vertrauen vom Schlachtfeld flüchten würden“, erklärte Matovič in seiner Dankesrede. Und: “Ich verspreche, dass wir zusammen mit den Partnern der demokratischen Opposition versuchen werden, die beste Regierung zu bilden, die wir je hatten“.

Zersplitterte Parteienlandschaft

Die demokratische Opposition, das sind Andrej Kiska und seine “Für die Menschen“ (5,8 Prozent) und auch die “Progressive Slowakei“, einst politische Heimat von Präsidentin Zuzana Čaputová (7 Prozent). Ebenfalls als Koalitionspartner in Frage kommt die neoliberale “Freiheit und Solidarität“, die 6,2 Prozent an Stimmen erhielt.

Für eine starke Mehrheit im 150-köpfigen Nationalrat dürfte das angesichts der 53 Sitze, die OLaNo errang, aber nicht reichen. Die wird Matovič aber brauchen, um sein Wahlversprechen wahr zu machen, den Augias-Stall der slowakischen Justiz auszumisten. Wider Erwarten schaffte es zudem die „Progressive Slowakei“, politische Heimat von Präsidentin Zuzana Caputová nicht in den Nationalrat.

Matovič wird sich daher auch mit dem Oligarchen Boris Kollar auseinandersetzen müssen, der, wiedergeboren als Populist, mit seiner Partei “Wir sind Familie“ mit 8,2 Prozent das drittbeste Wahlergebnis errang. Alternativ wäre da noch die “Volkspartei Unsere Slowakei“. Die oft paramilitärisch anmutende Truppe um Marián Kotleba sieht sich als Erben der klerikalfaschistisch-korporativistischen Tradition des Józef Tiso, was ihnen immerhin einen achtprozentigen Stimmanteil gebracht hat.

Kuciak-Mord als Wendepunkt

Um effektiv regieren zu können, wird Matovič – auch das ein Ergebnis der Wahlen – eine breite Koalition bilden müssen. Was die Parteien der “demokratischen Opposition“ eint, ist ein konservatives Weltbild. Was sie antreibt, ist der Wille, die mafiösen Verstrickungen im Land zu zerschlagen, die durch den Auftragsmord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Lebensgefährtin Martina Kušírová brutal offen gelegt wurden.

Die Tat führte zu Massenprotesten, die Langzeitministerpräsidenten Róbert Fico zum Rücktritt zwangen und das Ende der zwölfjährigen Übermacht seiner Partei Smer-Sozialdemokratie einläutete. Wahlsieger Igor Matovič ist sich der Bedeutung des Kuciak-Mords als Wendepunkt wohl bewusst: „Der Tod von Jan und Martina war der entscheidende Moment, in dem sich alles änderte. Da wurden wir uns bewusst, wer in Wirklichkeit über uns herrscht“, betonte er in seiner Dankesrede.

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