Großbritanniens Haushalt sprengt alle Erwartungen

Der erste Etat nach dem Austritt aus der EU sieht Ausgaben in Milliardenhöhe für Infrastrukturprojekte vor. Abgehängte Regionen sollen besser gefördert werden

Ob auch dieses Loch bald verschwindet? Die Isle of Skye, Highlands in Schotland Foto: Scott Masterton/Westend61/imago

Aus London Daniel Zylbersztajn

Seit Monaten wurde in Großbritannien über den nächsten Haushalt, den ersten des neuen Finanzministers Rishi Sunak, spekuliert. Ein Ende der Austeritätspolitik hatte bereits dessen Vorgänger Sajid Javid angekündigt. Ein Schwerpunkt des neuen Etats, des ersten nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU, ist das sogenannte Levelling-up – eine Art Finanzausgleich zugunsten benachteiligter Regionen vor allen im Norden des Landes. Dort hatten im Dezember viele WählerInnen zum ersten Mal für die Konservativen gestimmt.

Die Zahlen, mit denen Sunak am Mittwochnachmittag hantierte, waren aufsehenerregend. Die angekündigten Ausgaben von über 600 Milliarden Pfund (686 Milliarden Euro) bis zum Ende der Wahlperiode 2025 für langfristige staatliche Projekte lagen weit höher, als viele angesichts der Coronakrise für möglich gehalten hatten.

Die britische Regierung geht damit knapp an die selbst auferlegte Obergrenze für Staatsanleihen, die mit drei Prozent des britischen Bruttosozialprodukts die höchsten seit 30 Jahren sind. Dennoch soll die staatliche Verschuldung bis 2025 um 0,3 Prozent sinken. Bei einem niedrigen Wachstum der Wirtschaft von nur 1,1 Prozent und Turbulenzen durch das Coranavirus ist Sunak an der Ankurbelung der Wirtschaft gelegen. Das geht auch aus seinem Versuch hervor, den Haushalt mit britischen Banken abzustimmen.

Erst am Dienstag wurden von diesen Unterbrechungen von Rückzahlungen zur Überbrückung der Covid-19-Krise verkündet. So können nun Hypothekenzahlungen temporär ausgesetzt werden, falls ein Haushalt vom Coronavirus betroffen ist. Sunak erklärte, dass für kleine und mittelständische Betriebe mit einem Gesamtverdienst von unter 51.000 Pfund jährlich die Gewerbesteuer dieses Jahr ganz ausfallen werde.

Auch Selbständigen soll bei durch das Virus entstandenen finanziellen Engpässen geholfen werden. Insgesamt stehe ein Hilfspaket in Höhe von mindestens 31 Milliarden Pfund (35,4 Milliarden Euro) zur Verfügung, erklärte Sunak. Ihm zu Hilfe kam am Mittwochmorgen auch die unabhängig agierende Bank of England, die den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent senkte.

Auch andere Wahlversprechen wurden eingehalten – etwa die Finanzierung von 50.000 neuen Jobs für Krankenenpfleger*Innen, sowie 20.000 zusätzliche Stellen für Polizeibeamt*Innen. Auch für die Bereiche Bildung und Wissenschaft sind Ausgaben in Millionenhöhe geplant – darunter einen Ausbau des nationalen Internet-Breitbandnetzes. Einkommens- und Mehrwertsteuer sowie Sozialabgaben werden nicht erhöht.

Zum Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen, vielerorts eins der wichtigsten Themen, werden die Investitionen auf fast 6 Milliarden Euro fast verdoppelt. Das umstrittene Hochschnellbahnnetz zwischen London, Manchester und Leeds, dessen Kosten sich auf mindestens 122 Milliarden Euro belaufen werden, wird trotzdem gebaut. Ebenfalls wird der, für viele Regionen wichtige, öffentliche Nahverkehr ausgebaut. Zusätzlich sollen auch 50 Millionen Schlaglöcher beseitigt werden.

Zusätzlich gibt es Mittel, um 50 Millionen Schlaglöcher zu beseitigen

Für die erst 2014 geschaffene dezentralisierte Region West Yorkshire gibt es sogar einen Extraposten im Etat in Höhe von 34,2 Millionen Euro. Das ist eine Geste angesichts der Regionalwahlen in dieser Region im Mai. Hier soll in Zukunft ein eigenes Bürgermeisteramtes geschaffen werden. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen stehen auch 5,7 Milliarden Euro für neues Personal in den britischen Botschaften bereit, die die verschiedenen Regionen vertreten sollen. Mit weiteren Geldern sollen zudem die Zugverbindungen zwischen Leeds und Manchester ausgebaut werden.

Nennenswert sind auch 25 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung, um dem unabhängigen Land einen „Kickstart“ zu ermöglichen.

Um die Staatskasse wenigstens etwas zu entlasten, strich Sunak verschiedene Vergünstigungen, zum Beispiel für Unternehmer und verbilligten Diesel für das Bauwesen. Steuern auf Umweltverschmutzung, Gas sowie auf die Verwendung von nicht recyclebarem Plastik werden erhöht – ebenso die Abgaben auf den Ankauf britischer Immobilien von Menschen aus dem Ausland.