: Joe Biden auf der Zielgeraden
Ex-Vizepräsident Joe Biden gewinnt auch die nächste Runde der Vorwahlen bei den US-Demokraten. Bernie Sanders geht unter
Aus New York Dorothea Hahn
„Wir sind sehr lebendig“, sagt der 77-jährige Joe Biden, als er am Dienstagabend in Philadelphia seine neueste Erfolgsserie bei den demokratischen Vorwahlen quer durch die USA kommentiert. Der Zentrist hat am „Big Tuesday“ in mindestens vier Bundesstaaten – Michigan, Mississippi, Missouri und Idaho – gegen den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders gesiegt. Letzterer gewann North Dakota. In Washington State war das Ergebnis so knapp, dass es bei Redaktionsschluss noch nicht fest stand. Biden hat damit zwar noch nicht (annähernd) die zu einer Nominierung nötige Zahl von Delegierten, aber sein Vorsprung vor Sanders hat sich so vergrößert, dass die Chancen für den Linken radikal geschrumpft sind. Für den Apparat der Demokratischen Partei, der sich in den letzten zehn Tagen geschlossen hinter Biden gestellt hat, steht bereits fest, dass „Joe“ in den Zweikampf gegen Donald Trump ziehen soll.
Von Philadelphia aus dankte Biden sämtlichen ehemaligen zentristischen PräsidentschaftskandidatInnen. Aber er machte keinerlei Gesten gegenüber den fast 50 Prozent linken WählerInnen der Partei. In seinen Danksagungen erwähnte er namentlich unter anderem Buttigieg, Klobuchar, Bloomberg, O’Rourke, Harris und Booker. Die beiden letzteren, die einzigen afroamerikanischen KandidatInnen in dem ursprünglich so vielfältigen demokratischen Rennen, hatten Biden bei Debatten offen attackiert. Senatorin Harris hat ihm rassistische Verfehlungen vorgehalten – unter anderem war Biden gegen das „bussing“, mit dem die Rassentrennung in den Schulen aufgehoben werden sollte. Senator Booker war einer jener, die Biden auf seine Vergesslichkeit – die manche auch „Senilität“ nennen – gestoßen haben. Aber als der Parteiapparat eine massive Unterstützungsbewegung für den noch bis Ende Februar politisch totgesagten Biden organisierte, schlossen sich auch die beiden afroamerikanischen PolitikerInnen an.
Sanders ist, seit seiner dreiteiligen anfänglichen Erfolgsserie – die höchste Stimmzahl in Iowa, ein Sieg in New Hampshire und ein haushoher Sieg in Nevada – immer weiter abgesackt. Der Linke hat inzwischen auch mehrere Bundesstaaten verloren, in denen er bei den Primaries von 2016 gegen Hillary Clinton gewonnen hatte. Dabei verlor er unter anderem den Zugang zu WählerInnengruppen, die er damals hinter sich hatte: weiße WählerInnen auf dem Land, sowie weiße ArbeiterInnen.
Die afroamerikanischen WählerInnen, die für eine Nominierung der Demokratischen Partei unumgänglich sind, hat Sanders nicht überzeugt. Auch die weißen Vorstadtfrauen, sowie die Mehrheit sämtlicher WählerInnen über 65 Jahre trauen ihm nicht. Stark ist Sanders durchgängig bei den unter 30-Jährigen. Neue Durchbrüche seit 2016 hat er lediglich bei Latino/as und bei Asian Americans geschafft.
Doch Sanders Schwächen sind nicht unbedingt Bidens Stärken. Der hat bislang an zahlreichen Orten gewonnen, wo er weder Geld ausgegeben noch Wahlkampf gemacht hat. Er wird dort vor allem von örtlichen und nationalen Demokratischen WürdenträgerInnen zu seinen Erfolgen getragen. Und glänzt selbst durch Abwesenheit. Am Sonntag, dem Haupt-TV-Tag für PräsidentschaftskandidatInnen hielt sich Biden fern von den Studios.
Die TV-Debatte zwischen Biden und Sanders am kommenden Sonntag wollen zahlreiche WürdenträgerInnen der Demokratischen Partei am liebsten absagen. Der erste, der diese Idee in Umlauf brachte, ist der langjährige afroamerikanische Abgeordnete Clyburn, der Biden auch zu seinem Sieg in South Carolina verholfen hat, dem Auftakt von Bidens Erfolgsserie.
Immerhin schaffte es Biden bei seinen jüngsten Wahlkampfauftritten, in keine Fettnäpfchen zu treten. Zuvor hatte er die Namen von Bundesstaaten durcheinandergebracht und seine Frau mit seiner Schwester verwechselt. Doch während er schweigt, bringen seine Gegner links und vor allem im Trump Lager Videos seiner – zahlreichen – alten slapstickhaften Auftritte in Umlauf. Und sie halten ihm Entscheidungen vor, die ihm schaden werden: von Bidens Befürwortung harter Gefängnisstrafen, seiner Fürsprache für Banken und gegen Verbraucher und seinem Eintreten für den Freihandel, der in den USA Millionen Arbeitskräfte zerstört hat, bis hin zu seinem Ja zu Irakkrieg.
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