Bernd Pickert über den Vorwahlkampf bei den US-Demokraten
: Bernie bräuchte ein Wunder

Für Bernie Sanders dürfte es das gewesen sein. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird nicht der Senator aus Vermont, sondern Ex-Vizepräsident Joe Biden bei den US-Wahlen gegen Donald Trump antreten. Besonders bitter ist seine Niederlage in Michigan, einem der wichtigen Swing States, die im November die Wahl entscheiden. Noch 2016 hatte Sanders hier gegen Hillary Clinton gewonnen.

Wer in den USA als „demokratischer Sozialist“ antritt, weiß, dass da gewaltige Hürden warten. Um die zu überwinden, müssen Wähler*innen überzeugt werden. Sanders gelang dies nicht. Dabei spielte ihm die Weltlage eigentlich in die Hände. Der Umgang mit dem Coronavirus offenbart alle Schwächen des US-Gesundheitssystems, die Sanders seit langer Zeit lauter anprangert als alle anderen.

Es sind nach wie vor die jungen weißen Progressiven, die den Kern seiner Basis ausmachen. Bei der Schwarzen Wäh­ler*in­nenschaft bekommt Sanders keinen Fuß auf den Boden, und die Alten ziehen Stabilität einer „Revolution“ vor. Von Joe Biden wiederum erwartet sich niemand etwas, außer dass er nicht Trump ist.

Programmatisch ist es lau, was Biden anzubieten hat, rhetorisch schwankt er zwischen Langeweile und Totalausfall. „Sleepy Joe“ nennt Trump ihn auf Twitter. Biden bietet Trump unglaublich viele Angriffsflächen. Die von Trump gewünschten ukrainischen Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter, der im Verdacht der Korruption steht, dürften im Duell Trump – Biden eine Rolle spielen. Ebenso seine frühere Unterstützung des Irakkriegs und 30 Jahre alte Plagiatsvorwürfe, als Biden weite Passagen aus Reden des damaligen britischen Labour-Führers übernahm und aufflog.

Es liegt jetzt an Sanders, als progressiver Politiker zu handeln, nicht als Grumpy Old Man. Sollte es ihm nicht gelingen, das Ruder während der TV-Debatte mit Biden am kommenden Sonntag herumzureißen, muss er aufgeben. Und alles tun, damit seine Basis dafür sorgt, Trump abzuwählen.

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