: Gipfel für mehr Wipfel
Wald versus Knick- und Grünlandschutz? Die Idee der CDU stößt auf Unwillen von Naturschutz und grünem Koalitionspartner
Von Esther Geißlinger
Die CDU Schleswig-Holstein hat den Wald entdeckt: Schon zum zweiten Mal lud die Landtags-fraktion zu einem „Waldgipfel“ ein. Das Ziel ist, das baumarme Flächenland aufzuforsten. Doch einige der Ideen, die der Fraktionsvorsitzende Tobias Koch aus dem Gipfel ableitet, verletzten Regeln des Natur- und Klimaschutzes.
„Das Thema Wald begeistert alle“, schwärmte Koch bei einem Pressegespräch. Vertreter*innen von Natur- und Landwirtschaftsverbänden, der Landesforsten und privater Waldbesitzer sowie Fachleute für Landesplanung saßen auf Einladung der CDU beisammen, um Konzepte zu entwickeln, wie im baumärmsten Flächenland mehr Wald entstehen kann. Der Anteil soll von rund elf auf zwölf Prozent der Landesfläche erhöht werden. Das Ziel ist generell unstrittig und angesichts des Klimawandels aktueller denn je: „Viele Landbesitzer haben Interesse an Aufforstung“, berichtete Koch.
Dagegen spricht, dass aus den Fördertöpfen, mit denen Land und Bund Landbesitzer*innen die Aufforstung schmackhaft machen wollen, keine Gelder abgerufen werden. Weil das Verfahren kompliziert sei. Koch fordert eine „Koordinierungsstelle für Neuwaldbildung“.
Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) widerspricht auf taz-Anfrage dem Koalitionspartner: „Das Verfahren ist keineswegs kompliziert, jeder Antrag wird bewilligt.“ Nicht Geld, sondern Platz sei das Problem: „Die Konkurrenz um Flächen ist groß.“
Die Idee der CDU ist deshalb, Regeln zu überprüfen, besonders solche, die dem Wald in die Quere kommen könnten. Als Beispiel nannten Koch und Heiner Rickers, Umwelt- und Agrarexperte der Fraktion, die Knicks. Zu diesen grünen Trennwällen muss beim Bearbeiten der Felder ein Mindestabstand eingehalten werden, was bei Landwirt*innen immer wieder auf Unmut stößt. Falls aber nun jemand Bäume auf dem Acker anpflanzen wollte, würde durch die Abstandsregelung möglicher Wald-Platz verloren gehen, meinte Koch und schlug vor, deshalb die Regelung zu „überprüfen“, also die Abstandsregelung abzuschaffen.
Auch Dauergrünland, also Wiesen und Weideflächen, könnten als Forstfläche dienen. Die CDU kann sich dafür eine Prämie vorstellen: „Es muss für private Landbesitzer attraktiv sein.“ Für bereits bestehende Wälder könnte es Extra-Geld oder Zertifikate geben, wenn die Besitzer*innen die Bäume „dauerhaft stehen lassen“.
Grundsätzlich freue sich der Naturschutz, dass die CDU sich des Waldes annehme, sagt Ann Kristin Montano, Sprecherin des Naturschutzbundes BUND, der am Waldgipfel teilnahm. Aber auf das Wie kommt es an: „Uns geht es um Naturwälder, nicht um bewirtschafteten Forst.“ Die Idee, für mehr Bäume den Knickschutz zu kippen, sorgt beim BUND für Kopfschütteln: „Über Knicks wurde beim Waldgipfel zwar gesprochen, aber nur in Bezug auf Holznutzung“, sagt Montano. Der BUND würde es begrüßen, würden Äcker weniger bewirtschaftet, aber da keine Kollision mit dem heutigen Knickschutz bestehe, müsste die Abstandsregel nicht geändert werden.
Albrecht bestätigt: „Wenn aufgeforstet wird, gelten andere Richtlinien als für Ackerland.“ Es sei nur keine sinnvolle Lösung, einzelne „Kleckerflächen“ umzuwandeln. Auch Wald auf Grünland sieht der Minister skeptisch. Erstens sei Grünland teilweise geschützt, zweitens binde Weideland bereits CO2. Sinnvoller sei, Äcker in Grünland zu verwandeln.
Er freue sich aber, dass die Koalitionspartnerin CDU „sich intensiv dafür einsetzt, dass wir mehr Geld für Klimaschutz in die Hand nehmen“. Einige Ideen der CDU lobte Albrecht. Dazu zählen die „Wald-Futures“, ein Zertifikat nach dem Vorbild der „Moor-Futures“. Dass es aber Prämien für das reine Stehenlassen von Bäumen geben solle, sieht er kritisch: „Da geht es eher um Natur- als um Klimaschutz, zudem könnten Mitnahmeeffekte entstehen.“
Auch Eka von Kalben, Fraktionschefin der Grünen, freut sich, „dass die CDU den Klimaschutz entdeckt hat“. Aber um die Erderwärmung zu verlangsamen, bringe Aufforsten weniger als das Vernässen von Wiesen zu Mooren. Aus Sicht des BUND und des Umweltministeriums sind Moore für Schleswig-Holstein der beste Weg, CO2 zu binden. Dabei sieht Minister Albrecht keinen Grund für einen „Streit zwischen Wald und Moor“.
Er schlägt einen Maßnahmen-Mix vor: Vernässung auf Feuchtflächen, Walderhaltung und Aufforstung auf trockenem Gelände, Investitionen in die Landesforsten und Anreize, damit Landwirt*innen ihre Flächen weniger intensiv bewirtschaften. Fachlich richtig, trotzdem gibt es beim Moor ein Problem, weiß Tobias Koch: „Kaum einer sagt: Super, ich vernässe eine Wiese. Aber wenn es ums Bäume pflanzen geht, sind alle begeistert dabei.“
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