Wirtschaftskrise im Libanon: Erdgas soll Beirut helfen
Der Libanon sucht nach Wegen aus der Krise. Im Meer wurde Erdgas entdeckt, ein neues Bohrschiff soll das Land aus der Krise führen.
Eigentlich gibt es derzeit keinen Anlass zur Freude. Der Libanon steckt nicht nur in einer politischen Krise, sondern auch in der schwersten Wirtschaftskrise seit Ende des Bürgerkriegs vor dreißig Jahren. Deshalb kommen der Staatsführung positive Nachrichten wie gerufen.
Feierlich präsentierte Präsident Michel Aoun gemeinsam mit Regierungschef Hassan Diab vergangene Woche das Erdöl- und Gasbohrschiff im Mittelmeer, dreißig Kilometer vor der libanesischen Küste. „Inmitten der Dunkelheit wird sich heute eine große Lichtluke öffnen, die darauf hoffen lässt, die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden“, sagte der Regierungschef. „Es ist ein historischer Tag, an dem wir anfangen, im Meer zu bohren, um den Libanon in ein Ölland zu verwandeln.“
Die Staatsschulden des Libanon betragen knapp 80 Milliarden Euro, etwa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit ist er eines der am höchsten verschuldeten Länder der Welt. Die Staatswährung verliert an Wert und die Libanes*innen können nur noch sporadisch Geld abheben, viele Geschäfte mussten schließen, Tausende Menschen wurden entlassen.
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Zur wirtschaftlichen kommt die politische Krise hinzu. Am Montag sagte Diab: „Dieser Staat ist nicht mehr in der Lage, die Libanesen zu schützen.“ Daraufhin versammelten sich erneut Demonstrant*innen in Beirut, um Straßen zu blockieren. Seit vier Monaten schon gehen sie gegen die korrupte Regierung und ihr Missmanagement auf die Straße. Im Oktober führten die Proteste zum Rücktritt von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Diab ist seit vergangenem Monat im Amt, doch die Menschen vertrauen seinem Kabinett, das eng mit der alten Elite verbandelt ist, nicht. „Diese Regierung hat das Vertrauen der Menschen verloren“, gab selbst Diab am Montag zu.
Können Öl- und Gas dem Libanon aus der Krise helfen? „Ich freue mich, weil endlich etwas passiert“, erklärt Haytayan der taz. Sie ist Expertin für den Öl- und Gassektor und Direktorin des Instituts zur Steuerung natürlicher Ressourcen (NRGI), das unter anderem die libanesische Regierung berät. „2013 sollten wir die erste Erkundung haben, aber damals hatten wir keine Regierung. Endlich ist das Bohrschiff angekommen. Das könnte den Libanon auf den richtigen Weg bringen, ein Öl- oder Gasförderland zu werden.“
Haytayan hofft, dass Gas zur Stromproduktion genutzt werden kann. Im Libanon sind gelenkte Stromausfälle von bis zu zwölf Stunden an der Tagesordnung. Um durchgängig Strom zu liefern, bräuchte es allerdings auch eine Umrüstung auf Kraftwerke, die das Gas auch in Strom verwandeln können. Doch für neue Infrastruktur fehlt das Geld; der Elektrizitätssektor weist ein jährliches Defizit von mehr als 1,5 Milliarden Euro auf.
Und nicht nur im Elektrizitätssektor braucht es Reformen. Das merken internationale Geldgeber an, die 2018 noch Finanzhilfen im Wert von rund 9 Milliarden Euro versprochen hatten – vorausgesetzt, die Regierung reformiert ihre Wirtschaft. Hinzu kommt, dass Libanons Kreditwürdigkeit fraglich ist. Am Montag wird die Rückzahlung von Eurobonds im Wert von 1,1 Milliarden Euro fällig. Sollten die Schulden nicht getilgt werden, wird es schwer, an Geld aus dem Ausland zu kommen. Das wird aber benötigt, denn das Land ist auf Importe von Medikamenten, Nahrungsmitteln und Benzin angewiesen.
„Ohne Reformen der Wirtschaft helfen Öl und Gas nichts“, gibt auch Haytayan zu. Trotz ihrer Euphorie sieht sie Öl und Gas nicht als Allheilmittel für die Krise. „Es ist unklar, wie die möglichen Gewinne genutzt werden sollen. Bei der großen Korruption im Land ist die größte Sorge der Menschen, dass Politiker und ihre Freunde das Geld in die Hände bekommen und unter sich aufteilen.“
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